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ADAC-Sachsen-Anhalt-Classic  ADAC-Sachsen-Anhalt-Classic : Zeitsprung in die 1930er Jahre

Von Rita Kunze 19.09.2016, 07:25
Am Start waren auch historische Motorräder.
Am Start waren auch historische Motorräder. Chris Wohlfeld

Blankenburg - Dicke Regentropfen perlen von den auf Hochglanz polierten Karosserien ab. Die Fahrer blicken mit hochgezogenen Augenbrauen zum Himmel: keine Besserung in Sicht. Schon wenige Meter nach dem Start zücken die ersten Beifahrer Schwämme, um für freie Sicht bei beschlagenen Scheiben zu sorgen. Es gibt keine Klimaanlagen, die das übernehmen könnten, denn die jüngsten Wagen, die am Samstag vom Parkplatz des Blankenburger Schlosshotels rollen, sind 30 Jahre alt.

Klassiker unterwegs

Die 9. ADAC-Sachsen-Anhalt-Classic hat am Samstag und Sonntag Oldtimerfreunde aus ganz Niedersachsen und Sachsen-Anhalt in Blankenburg vereint. 138 Fahrer hatten sich angemeldet. Für Liebhaber richtig alter Autos ein Fest, gab es doch viele Modelle aus den 30er und 40er Jahren zu bestaunen.

Manchmal versetzen sich die Besitzer auch rein äußerlich ins Baujahr ihres Wagens. Jürgen und Ute Weiß aus Melle bei Osnabrück fahren nicht nur einen Ford A von 1929, sie leben das. Der Elektriker streift sich die Knickerbocker über, und seine Frau, von Beruf Erzieherin, schlüpft in ein cremefarbenes, knöchellanges Spitzenkleid, trägt Hut und lange Perlenkette.

„Die Reaktionen sind durchweg positiv“, sagt Weiß. „Viele winken.“ Am Fahrspaß ändere die historische Kleidung wenig, aber „es macht natürlich noch mehr Spaß, wenn das mehr Leute tun“.

Lieber zu zweit fahren

Dass die beiden überhaupt ein 87 Jahre altes Auto fahren, ist eine „Biertischangelegenheit“, erzählt Jürgen Weiß. „Vor über 30 Jahren habe ich mich für alte Motorräder interessiert, und dann sah ich diese alten Autos. Mit denen kann man auch gut zu zweit fahren“, sagt der hochgewachsene Mann, der mit Schuhgröße 50 durchs Leben geht.

Seine Frau, deutlich kleiner, ist Beifahrerin - aus ganz pragmatischen Gründen, wie sie erzählt: „Ich bin einmal damit gefahren, aber ohne Servolenkung ist das doch sehr schwer. Außerdem muss für mich der Sitz immer nach vorn verstellt werden, und dafür müssen zuerst Schrauben gelockert und dann natürlich wieder festgezogen werden. Viel zu aufwendig.“

Die Wartung aber ist es nicht, erzählt der Elektriker, der - wenn er nicht mit Ford und Frau eine Sonntagsausfahrt in ein hübsches Landcafé unternimmt - einen VW-Bus steuert. Er liebt die „richtigen“ Oldtimer, die „Speichenräder und runde Lampen“ haben müssen. Denn die seien viel einfacher als jene Wagen, die danach vom Fließband rollten: „Ford hat sich etwas dabei gedacht: Jeder Dorfschmied sollte diese Autos reparieren können, wenn sie mal in der Prärie liegenbleiben. Wir sind auch schon liegengeblieben in der Prärie, in Norwegen. Und wir haben das Auto wieder in Gang gekriegt und sind nach Hause gekommen“, sagt er und lacht.

Er kennt den Oldtimer besser als jeder andere: „Als ich den Wagen 1988 gekriegt habe, habe ich jede Schraube entrostet. Nach zwei Jahren war er fertig.“

Bis zu 110 Stundenkilometer könne er schnell sein, doch Weiß geht es ruhiger an. „Meist fahren wir so mit 60, 70 km/h. Da ist es dann auch nicht so laut, und wir können uns unterhalten.“

Heinz Günter und Evelyn Eisler können das nicht. Das Ehepaar aus Altwarmbüchen bei Hannover ist mit einer Zündapp KS 600 unterwegs, Baujahr 1939. Heinz Günter Eisler ist 81, seine Frau 80 Jahre alt. Dennoch nehmen sie an allen ADAC-Veranstaltungen dieser Art teil. „Mit der Zündapp waren wir sogar auf dem Großglockner“, sagt Evelyn Eisler. „Sie hat das geschafft.“ Für ihren Mann hat sich mit dem Zweirad ein Wunschtraum erfüllt.

„Seit 1952 wollte ich so ein Motorrad haben, damals gab es den ,Grünen Elefanten‘. Als wir dann 1984 im Verkehrsmuseum in Berlin waren, wusste ich: Ich will das Vorgängermodell.“ Über eine Zeitungsanzeige wurde er fündig. Und fing an zu schrauben: „Ich musste den ganzen Motor zerlegen. Die Maschine war aber komplett.“ Genügend Ersatzteile gebe es auch heute noch.

Auf langen Strecken unterwegs

Die beiden rücken sich in der HOtellobby ihre Motorradanzüge zurecht und schauen nach draußen. Ob sie die ganze Strecke, die bis nach Oschersleben und wieder zurück nach Blankenburg führt, mitfahren werden, wissen sie noch nicht: „Wenn es zu sehr regnet, brechen wir ab.“ Dabei könnten sie gut lange Strecken fahren: „Der Sitzkomfort ist sehr gut“, sagt Evelyn Weiß. „Die Sitze sind sehr weich. Aber weil man die Beine so anwinkeln muss, geht es irgendwann in die Knie.“

(mz)

Trotz des Regens wurde der Terminplan der Ausfahrt im Rahmen der ADAC-Sachsen-Anhalt-Classic in Blankenburg eingehalten.
Trotz des Regens wurde der Terminplan der Ausfahrt im Rahmen der ADAC-Sachsen-Anhalt-Classic in Blankenburg eingehalten.
Chris Wohlfeld
Mit dabei ebenso  ein relativ seltener Velorex; das Dreirad wurde von 1950 bis 1973 produziert.
Mit dabei ebenso  ein relativ seltener Velorex; das Dreirad wurde von 1950 bis 1973 produziert.
Chris Wohlfeld
Dieser Ford A, Baujahr 1929, bringt es auf 110 Stundenkilometer.
Dieser Ford A, Baujahr 1929, bringt es auf 110 Stundenkilometer.
Chris Wohlfeld
Stilechte Oldtimerfreunde: Jürgen und Ute Weiß im 20er-Jahre-Outfit (oben). Am Start waren auch historische Motorräder (rechts, oben). Mit dabei ebenso ein relativ seltener Velorex (rechts, Mitte); das Dreirad wurde von 1950 bis 1973 produziert. Navigiert wurde auf den Zweirädern wie früher (rechts, unten).
Stilechte Oldtimerfreunde: Jürgen und Ute Weiß im 20er-Jahre-Outfit (oben). Am Start waren auch historische Motorräder (rechts, oben). Mit dabei ebenso ein relativ seltener Velorex (rechts, Mitte); das Dreirad wurde von 1950 bis 1973 produziert. Navigiert wurde auf den Zweirädern wie früher (rechts, unten).
Wohlfeld