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33 Cent pro Liter Milch 33 Cent pro Liter Milch: Bauern protestieren gegen Dumpingpreise am Rande der Grünen Woche in Berlin

Von Rita Kunze 16.01.2019, 12:16
Der Lebensmittelhandel sollte mit höheren Preisen werben, „damit die Biomilchbauern ihre Qualitäten und das Wohl der Tiere auch honoriert bekommen“, sagt Michael Grolm von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL).
Der Lebensmittelhandel sollte mit höheren Preisen werben, „damit die Biomilchbauern ihre Qualitäten und das Wohl der Tiere auch honoriert bekommen“, sagt Michael Grolm von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). dpa

Quedlinburg/Silstedt - Zum Auftakt der Grünen Woche gehen Landwirte in Berlin auf die Straße: Am kommenden Samstag wollen sie am Rande der weltgrößten Ernährungsmesse unter dem Motto „Wir haben es satt“ vor dem Brandenburger Tor für eine andere Landwirtschaftspolitik demonstrieren.

Besonders bei den Milchbauern ist die Stimmung derzeit „absolut katastrophal“, sagt Jörg Weidemann, Vorstandsmitglied der Agrargenossenschaft Vorharz. Ursache ist vor allem der niedrige Milchpreis, der in diesem Jahr zu erwarten ist: 33 Cent je Liter hat der Deutsche Bauernverband den Molkereien als Preiserwartung genannt.

„Nach zwei Jahren Krise und Dürre benötigen wir Gewinne“

Ein „Freibrief für Tiefstpreise“ ist dies in den Augen von Reiko Wöllert, Landesgeschaftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland (AbL), die Bauern hierzulande zur Teilnahme an der Demonstration in Berlin aufruft.

„Nach zwei Jahren Milchkrise und der Dürre 2018 benötigen wir Milcherzeuger dringend Gewinne“, sagt Wöllert, der Milchbauer in Thüringen ist. Jörg Weidemann im Vorharz sieht das genauso: „Mit 33 Cent schafft man keine Werte. Da kann man nur das Nötigste machen.“ Erst recht nach einem Jahr wie 2018.

Rund 30 Prozent weniger Ertrag im Raum Silstedt

Die Agrargenossenschaft Vorharz hat durch die monatelange Trockenheit rund 30 Prozent Ertragsausfälle zu verzeichnen und nur die Hälfte der sonst üblichen Ernte im Futteranbau eingefahren, sagt das Vorstandsmitglied. Im Gegenzug habe sich der Futtermittelpreis verdoppelt, teilweise sogar verdreifacht. Höhere Einnahmen hat die Agrargenossenschaft allerdings nicht: „Wir bekommen von der Molkerei nicht mehr.“

„Wir leben von der Substanz aus dem Vorjahr“, sagt Weidemann. Die Agrargenossenschaft mit Betrieben in Silstedt-Benzingerode und Darlingerode baut auf rund 1.400 Hektar Getreide und Tierfutter für die rund 840 Rinder in der Milch- und Fleischproduktion an und betreibt eine Biogasanlage.

Den für diese Anlage vorgesehenen Mais bekommen jetzt die Rinder, obwohl er in der Biogasanlage Geld bringen würde, weil die Agrargenossenschaft damit Strom ins öffentliche Netz einspeist. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft habe schon im vergangenen Herbst dazu aufgefordert, „wegen der katastrophalen Futterernte und den damit drastisch gestiegenen Kosten mehr für die Milch zu bezahlen“, sagt Reiko Wöllert. Die Milcherzeugergemeinschaft Milchboard fordere 40 Cent, das wäre ein „klares Signal“.

„Tierwohl und Schutz der Umwelt werden missachtet“

Doch das ist derzeit nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Werbung eines Discounters für Biomilch, die weniger als einen Euro je Liter kostet, sei „unverschämt“, sagt Michael Grolm, Landesvorsitzender der AbL. „Tierwohl, höchste Futterqualitäten und der Schutz der Umwelt bei der Biomilcherzeugung erfahren hier nur Missachtung.“

Er habe es satt, „dass mit den Kühen auf der Weide geworben wird, aber die Konsequenzen nach verdorrten Weiden und notwendigen Futterzukäufen bei einigen Marktplanern völlig ignoriert werden. Mit höheren Preisen zu werben, damit die Biomilchbauern ihre Qualitäten und das Wohl der Tiere auch honoriert bekommen, wäre der richtige Weg für Wertschätzung von hochwertigen Lebensmitteln“, so Grolm.

Milchpreis im „Wettkampf mit dem Lebensmitteleinzelhandel“

Aber hochwertige Lebensmittel würden in Deutschland eben nicht in diesem Maße wertgeschätzt, sagt dagegen der Harzer Landwirt Jörg Weidemann. Nur 10 bis 20 Prozent des Einkommens gäben Deutsche für Lebensmittel aus.

Die Festlegung der Höhe des Milchpreises sei „ein permanenter Wettkampf mit dem Lebensmitteleinzelhandel“. Der verhandelt zweimal im Jahr mit den Molkereien darüber, was er zu zahlen bereit ist. „Die Landwirte können darauf nicht reagieren“, sagt Weidemann.

„Biomilch für einen Euro je Liter zu erzeugen, ist einfach nicht möglich. Da spürt man die Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels. Der ist infrastrukturell sehr gut vernetzt, da interessiert es keinen, ob Milch, Butter und Käse aus Deutschland kommen oder aus anderen Ländern in Europa.“ (mz)