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Landkreis Anhalt-Bitterfeld Landkreis Anhalt-Bitterfeld: Erstes Buchdorf Deutschlands ist in Mühlbeck-Friedersdorf

Von Grit Lichtblau 17.11.2007, 16:53

Mühlbeck-Friedersdorf/ddp. - Sie war Verkäuferin, Maklerin,Altenheimleiterin, sie hat sechs Kindern aus einem Heim ein neuesZuhause gegeben, ein Jahr in den USA gelebt. Seit zehn Jahren ist sienun Antiquarin in Deutschlands erstem Buchdorf inMühlbeck-Friedersdorf im Landkreis Anhalt-Bitterfeld: Heidi Dehne.

Als Leiterin eines Altenpflegeheimes kam sie Mitte der 90er Jahreaus dem Rheinland nach Bitterfeld. «Wer wollte damals schon nachBitterfeld, nur ich«, sagt die 65-Jährige. Doch beruflich lief esnicht nach ihren Vorstellungen, bis sie eines Tages in einerSonntagszeitung vom ersten Buchdorf der Welt in Hay-On-Wye in Waleslas. «Von da an war ich nicht mehr zu halten», erinnert sie sich.

Sie reiste nach Wales, sah sich auch Buchdörfer in Belgien undHolland an. Da stand ihr Entschluss längst fest, nach diesem Vorbildauch ein Buchdorf mit zahlreichen Antiquariaten zu gründen. Siereiste durchs Land, sammelte Bücher. Schnell war ihr Auto vollgepacktmit Bananenkisten voller gebrauchter Bücher. Und mit Mühlbeck ganz inder Nähe von Bitterfeld war auch bald ein geeigneter Ort gefunden,Bürgermeister und Gemeinderat musste die wortgewandte Dehne nichtlange überzeugen.

Im April 1997 gründete sie mit Gleichgesinnten einen Förderverein,im Herbst öffneten die ersten Läden unter anderem in der alten Schuledes Ortes und in einer alten Scheune. Inzwischen gehören zwölfAntiquariate zum Buchdorf Mühlbeck-Friedersdorf mit mehr oder wenigerstarker fachlicher Ausrichtung. Im Laufe der Jahre soll die Zahl aufetwa 35 wachsen. Auch Buchbinder, Buchdesigner und Kunsthandwerkeraller Richtungen sollen sich im Buchdorf ansiedeln. Einen Buchbinder,Glas- und Holzkünstler gibt es bereits.

Der ehemalige Konsum am Eingang von Mühlbeck ist das neue Zuhauseder allein lebenden Initiatorin geworden. Inzwischen bietet dieumtriebige Geschäftsfrau in ihrem «Bücher con sum» nicht nur 80 000Bücher an, im Lesecafé «KaffeeSatz» sind regelmäßig Autoren zu Gast,und wer will, kann in der kleinen Ferienwohnung auf ihrem Hofübernachten.

Hartnäckig sei sie, sagt Heide Dehne über sich selber und sehrentscheidungsfreudig. Ihre Hartnäckigkeit hat schon so mancherPolitiker der Region zu spüren bekommen, etwa als es um die Erlaubnisging, die Antiquariate auch an den Wochenenden öffnen zu dürfen. Dennmit dem nur wenige Hundert Meter entfernten Seengebiet Goitzsche warein touristischer Anziehungspunkt entstanden, von dem auch dieAntiquariatsbesitzer profitieren wollten. Drei Ordner haben ihreBriefe und Anträge gefüllt. Eine anonyme Anzeige, weil sie trotzVerbotes ihren Laden öffnete, schreckte Dehne ebenso wenig ab wie dieAndrohung einer Geldstrafe. «Notfalls wäre ich auch ins Gefängnisgegangen», sagt sie, und wer Heidi Dehne kennt, glaubt ihr das.

Dank des neuen Ladenschlussgesetzes sind die kämpferischen Zeitenaber inzwischen vorbei. Eigentlich könnte sich Heidi Dehne jetzt aufsRuhekissen setzen. Schließlich ist sie Rentnerin. Doch ans Aufhörenhabe sie bislang noch keine Gedanken verschwendet, sagt sie. Ihrgrößter Wunsch: «Gesundheit für die nächsten 40 Jahre.» Reisen würdesie auch gern. In einem kleinen Wohnwagen die Welt kennenlernen, dassei ein Traum. «Einfach wild drauf los fahren und das am liebstenallein.» Einen großen Bogen würde sie nur dort machen, wo Karnevalgefeiert wird, den mag die Rheinländerin nämlich gar nicht.

Heidi Dehne, Gründerin des ersten Buchdorfes in Deutschland, sitzt in Mühlbeck-Friedersdorf in ihrem Antiquariat «Bücher con sum». (Foto: ddp)
Heidi Dehne, Gründerin des ersten Buchdorfes in Deutschland, sitzt in Mühlbeck-Friedersdorf in ihrem Antiquariat «Bücher con sum». (Foto: ddp)
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