Landesweingut Kloster Pforta Landesweingut Kloster Pforta: Kellermeister mit 29 Jahren

Kloster Pforta - Es zischt, klappert und klirrt. Die Abfüllanlage läuft. Schon seit geraumer Zeit, obwohl die Uhr gerade mal sieben zeigt. Mit dem Gabelstapler rangiert Christoph Lindner eine Palette Wein an eine andere Stelle. „Ich muss ein bisschen Platz schaffen“, sagt der Kellermeister. Seit über einer Stunde ist er zwischen Tanks und Abfüllanlage unterwegs. Die Nacht war zeitig zu Ende für ihn, immerhin kommt er täglich von Höhnstedt ins Landesweingut Kloster Pforta vor den Toren von Bad Kösen.
Während in den Weinbergen ringsum die Natur gerade erst am Erwachen ist, geht es jetzt im Keller hoch her. „Bis etwa Mai füllen wir nahezu jede Woche ab“, sagt der junge Chef. Der „Traubenräuber“, eine Weißwein-Cuvée, ist schon in den Flaschen, auch der Müller-Thurgau, Bacchus und Riesling von 2015 sind abgefüllt. Heute also 8.000 Flaschen Dornfelder, Jahrgang 2014. Am Abend zuvor wurde der dunkelrote Tropfen von den Tanks in der untersten Etage auf die Ebene der Abfüllanlage gepumpt. Akribisch hat Christoph Lindner mit Füllmeister Maximilian Handt geprüft: Ist alles in Ordnung, stimmen Hygiene und Sauberkeit, und vor allem: Entspricht der Wein seinen Vorstellungen?
Doch jetzt geht es erst mal ins Büro. Ein nüchterner Raum, zweckmäßig und schmucklos. Das Einzige, was darauf hinweist, dass hier ein Kellermeister sitzt, ist ein blubbernder Behälter gleich neben dem Schreibtisch. „Unser Eiswein“, sagt Christoph Lindner, „220 Liter Traminer, am 19. Januar gelesen.“ Obwohl die Auskunft nur knapp ausfällt, ist ihm Stolz auf die erkleckliche Ausbeute anzumerken.
Jeder Tropfen ist wertvoll
Für Eiswein bleiben die besten Trauben am Stock, so lange, bis es genügend Frost gibt, um die Beeren im gefrorenen Zustand zu ernten. Das klappt nicht jedes Jahr. „2012 hatten wir das letzte Mal welchen, gerade mal die Hälfte“, erklärt der Fachmann und prüft routiniert, was sich im Gärbehälter tut. Eine Probe nimmt er in Augenschein, bestimmt den Zuckergehalt, gibt sie dann wieder zurück. „Jeder Tropfen ist wertvoll“, sagt er dazu. Ob und wie sich der Wein entwickelt, erkennt er an der Farbe, daran, wie stürmisch es blubbert im Gärröhrchen, am Geruch. Christoph Lindner hat sein Handwerk von der Pike auf gelernt.
Er war nach dem Abschluss der 10. Klasse 2003 der erste Lehrling des Weingutes Born in Höhnstedt. Nach einem Praktikum dort hatte für ihn festgestanden, dass Arbeit im Weinberg das Richtige für ihn wäre. „Draußen sein, was mit den Händen machen“, versucht er zu beschreiben, was ihn fasziniert an diesem Beruf. Nur beiläufig erwähnt er seine Familie, die einen eigenen, kleinen Weinberg bewirtschaftet, den Opa, der ihn „an den Wein gebracht“ hat. „Der Christoph“, sagt Günther Born über seinen einstigen Lehrling, „ist von der Region geprägt, hat durch die Familie, aus der er kommt, eine Bindung zum Wein, steht zur Region, ist bodenständig.“
Beim Rückblick auf seine Ausbildung schätzt der heute 29-Jährige vor allem die Vorteile des kleinen Weingutes, in dem er gelernt hat. „Dort konnte ich alles machen“, zählt er auf: „Rebschnitt, Bodenbearbeitung, pressen, filtrieren. Ich habe den Gesamtablauf kennengelernt von der Traube bis zum fertigen Produkt.“ In einem größeren Betrieb wäre das nicht so gründlich möglich gewesen, glaubt er. Drei Jahre hat er im Weingut Born gelernt, dann setzte er noch eine Weiterbildung drauf, wurde Techniker für Weinbau und Kellerwirtschaft. Damit fühlte er sich gerüstet, eine Stelle im Landesweingut anzunehmen. „Für mich war das hier eine Perspektive und ein Schritt nach vorn“, beschreibt er die berufliche Herausforderung. Und auch in Bezug auf sein Privatleben gefiel ihm der Gedanke, im Anbaugebiet Saale-Unstrut zu bleiben. Hier stammt er her, hier hat er in Höhnstedt eine eigene Familie gegründet, ein Haus gebaut, hier wachsen die beiden Söhne heran.
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In nur einem halben Jahr avancierte er im Landesweingut vom Mitarbeiter über die kommissarische Kellerleitung 2010 zum Kellermeister. „Dafür braucht es Engagement, eine gute Ausbildung, geschärfte Sinnesorgane und Erfahrung“, sagt Geschäftsführer Fritz Schumann und bescheinigt seinem jungen Experten genau das. „Er hat auf jeden Fall Akzente gesetzt, das beweisen die vielen Preise, die er schon geholt hat.“ 2015 erhielt bei der Gebietsweinprüfung keine andere der 177 eingereichten Sorten eine so hohe Bewertung wie der Weiße Burgunder und der Blaue Zweigelt von Christoph Lindner.
Jetzt, am Schreibtisch, hantiert er am Computer. „Die meiste Arbeit fällt im Büro an“, sagt er. Planungen, Absprachen, Kontrollen, Bestellungen, die Technik betreffend. Das hat auf den ersten Blick nicht viel mit Kellermeisterarbeit zu tun und ist doch wichtig, damit ein guter Wein entsteht. „Meine Handschrift soll erkennbar sein“, macht Christoph Lindner selbstbewusst deutlich, was für ihn hauptsächlich seinen Ruf als Kellermeister ausmacht. „Welche Trauben werden wie ausgebaut, mit welchen Hefen, wie führe ich die Gärprozesse, welche Temperatur wird gefahren - das alles beeinflusst den Wein, das alles erfordert viel Sorgfalt.“
#tbs
Etwa achtmal im Jahr ist er zu Verkostungen unterwegs, prüft als Mitglied einer Kommission die Güte der im Anbaugebiet Saale-Unstrut erzeugten Weine. „Da werden Trends sichtbar“, erklärt er, warum ihm diese Termine so wichtig sind. Es geht dabei um mehr, als nur um die Einschätzung der eigenen Erzeugnisse. Die haben gerade in den letzten Jahren gehörig zugelegt, was die Qualität betrifft. „Wir wollen den Rotweinanteil reduzieren, wir sind ein klassisches Weißweingebiet“, spricht der Fachmann Lindner, „obwohl wir bei den Roten vom Klimawandel enorm profitieren.“ Er hat Veränderungen beim Rebschnitt angeregt, von denen das Team des Landesweingutes weitere positive Effekte erwartet. Und auch wie sich pilzresistente Rebsorten, der Einsatz von Pflanzenstärkungsmitteln auf biologischer Basis oder Spontanvergärungen auf Geschmack und Qualität der Weine auswirken, überlässt er nicht dem Zufall. „Das muss dem Verbraucher nicht bewusst sein“, meint der Kellermeister, „aber unsere Weine sollen ihm schmecken.“
Ein Rundgang noch durch den Keller, das gehört zum täglichen Programm. Zuerst ein Blick in die „Schatzkammer“, wie er das Archiv nennt, in dem über 2.000 Flaschen lagern, teils noch aus den 70er Jahren. Gleich nebenan wird es so romantisch, wie sich der Weintrinker einen Keller vorstellt: Hier lagern die Barriquefässer. Zwei bis drei Jahre reifen darin die edlen Tropfen. Heute ist alles in Ordnung, kein Hochwasser in Sicht wie 2013, keine Gefahr. Gute Aussichten für einen guten Wein. (mz)