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Fotografie aus Halle „Helle Kammer“ zeigt Bilder des Lebens

Eindrucksvoll: Der 2021 gegründete hallesche Verein „Helle Kammer – Raum für Fotografie“ präsentiert sich mit einer Gruppenausstellung, zu sehen im Literaturhaus Halle.

Von Andras Montag 29.04.2024, 17:23
Thomas Plenert: „Babelsberg 1977“ (Ausschnitt)
Thomas Plenert: „Babelsberg 1977“ (Ausschnitt) (Foto: Thomas Plenert)

Halle/MZ. - Der Name klingt paradox für einen Verein von Fotografinnen und Fotografen: Helle Kammer. Denkt man bei jener Passion, der sich Enthusiasten, vor allem Profis aus Halle, verschrieben haben, doch automatisch an die Dunkelkammer. Zwar ist dieser magische Ort in Zeiten digitaler Fotografie und Bildbearbeitung nicht mehr zwingend vonnöten, um Fotografien an den Tag zu bringen. Doch er wird noch genutzt. Aber vor allem wollen die Mitglieder des Vereins, die sich von diesem Freitag an mit ihren Arbeiten im Literaturhaus Halle präsentieren, wie jede und jeder, die oder der Kunst produziert, natürlich ans Licht. Da klingt der Name Helle Kammer ganz logisch und ist Programm, zudem eine Anspielung auf den gleichnamigen Essay des französischen Philosophen Roland Barthes.

Bereits im vorigen Jahr gab es die erste Schau eines Mitstreiters der Hellen Kammer an selbem Ort: Der hallesche Fotograf Joerg Lipskoch zeigte mit großer Resonanz seine „Menschen des 21. Jahrhunderts“. Eine ebenbürtige Hommage an den großen August Sander, der mit seinen Porträts der „Menschen des 20. Jahrhunderts“ ästhetische Maßstäbe gesetzt hat.

Nun gehen die Vereinsmitglieder gemeinsam an den Start und wollen mit ihrer opulenten Gruppenausstellung zugleich an zwei Kollegen erinnern, denen sie den vorzüglich gestalteten Katalog posthum gewidmet haben: Thomas Plenert und Reimund Schmidt-De Caluwe.

Ein Schatz wird gehoben

Plenert (1951-2023) hat sich als Kameramann unter anderem von Jürgen Böttcher (als Maler: Strawalde) und Volker Koepp internationales Ansehen erworben. Dass der Mann, der Menschen und Landschaften so faszinierend ins Bild setzte, auch fotografierte, liegt nahe. Er selbst hat wenig Aufhebens davon gemacht, über Jahrzehnte hinweg lagerten die Negative seiner Aufnahmen, von ihm selbst unbeachtet, in Kisten.

Mario Schneider: „Mother Marilyn“
Mario Schneider: „Mother Marilyn“
(Foto: Mario Schneider)

Nun wird der Schatz, als den seine Kolleginnen und Kollegen aus der Hellen Kammer das nachgelassene Werk zu Recht bezeichnen, erstmal in Teilen sichtbar gemacht. Da ist zuerst das hier abgebildete, wundervolle Aktporträt einer jungen Schwangeren zu nennen, schlicht mit „Babelsberg 1977“ betitelt. Ein Bild, von dem man sich gar nicht lösen mag: So groß ist die Erwartung in den Augen der selbstbewussten, schönen Frau, so deutlich auch die Frage: Wird alles gut werden für uns, das kleine Menschenwesen in meinem Bauch – und für mich?

Ganz anders der stolze Schulterblick einer Blondine, die der hallesche Schriftsteller, Komponist, Filmemacher und Fotograf Mario Schneider (Jahrgang 1970 und im Mansfeld aufgewachsen) in den USA für eines seiner Straßenbilder gefunden und in einem hinreißenden Moment festgehalten hat: „Mother Marilyn“. Der Titel sagt, was das Bild zeigt: Eine Frau, die sich nach dem ikonischen Vorbild der Monroe selbst erfindet – und mit zwei Mädchen, ihren Töchter offenbar, über die Straße geht. Poesie trifft Reportage.

„Iceland / 2“
„Iceland / 2“
(Foto: Juliane Fränkel)

Juliane Fränkel hingegen, 1987 in Halle geboren, treibt ein philosophisch-fotografisches Spiel. In ihrer Inszenierung „Iceland / 2“ sieht man eine kauernde, nackte Frau in bizarren, archaischen Felsstümpfen – eins mit der Natur und zugleich ein Fremdkörper darin.

Was Krieg bedeutet

Hart stehen daneben Aufnahmen des aus Halle stammenden (und wieder dort lebenden) Fotojournalisten Knut Mueller. Sieht man den winzigen Jungen, der 1999 nach einer Plünderung im Roma-Viertel von Mitrovica im Kosovo schwere Bündel davon schleppt, versteht man ohne Worte, was Krieg bedeutet. Auch das spricht für den Fotografie-Verein Helle Kammer. Und für diese großartige Ausstellung. Denn sie zeigt Bilder des Lebens.