Konzertereignis Gesungene Beschwörung vor dem Altar
Er ist einer der schrägsten Vögel im Musikuniversum. Jetzt hat Will Oldham alias Bonnie „Prince“ Billy Leipzig verzaubert.
Leipzig/MZ. - Der lange, wilde Zauselbart ist ab. Dafür hat sich Bonnie „Prince“ Billy ein paar Pailletten ins Gesicht geklebt. Die bunt schimmernden Sterne reflektieren das Licht wie die ehrwürdigen Mauern der Leipziger Peterskirche die inbrünstigen Gesänge des Mannes aus Kentucky, der noch nie einen Hit hatte, nie ein Album in den Charts oder auch nur die Absicht, dorthin zu gelangen.
Ein volles Kirchenschiff
Das Kirchenschiff ist trotzdem voll, als der 54-Jährige erscheint. Bonnie „Prince“ Billy, der eigentlich Will Oldham heißt, hat seine Band daheimgelassen. Mit im Boot auf seiner ersten Deutschland-Tour seit zehn Jahren sitzen nur ein Gitarrist, der nebenher Trompete und Klarinette spielt, und eine Violinistin, die die Klagegesänge des Mannes untermalt, der nach Hollywood gegangen war, um Schauspieler zu werden. Seine wahre Berufung aber dann in der Musik entdeckte.
Billys Lieder sind verschroben, seine Texte voller Sünde, Reue und Verdammnis, die der bis heute in Kentucky lebende Komponist und Gitarrist auf Leinwände aus uramerikanischer Landschaft malt. Billys Stimme tanzt und torkelt durch die Melodien, etwa bei „I See A Darkness“, dem Lied, das Johnny Cash so ans Herz ging, dass er es selbst einspielte.
Die Peterskirchen-Version ist rauer, der Satzgesang weit weg von perfekt. Die drei Musiker sitzen auf ihren Stühlchen vor dem Altar, es gibt Licht und dazu Billy, mit Halbglatze, Schnauzer und Hoodie, der seine Stimmbandübungen zwischen Tenor und kippender Kopfstimme mit Gesten und Grimassen untermalt. Show? Nein, danke.
Besuch am Bach-Grab
Die Songs vom neuen Album „Keeping Secrets Will Destroy You“ und Klassiker wie „New Partner“ werden ganz leise dargeboten. So leise, dass eine umkippende Bierflasche im Parkett das Publikum aufschreckt. Doch Billy schlägt alle sofort wieder in den Bann: Das Grab von Bach habe er besucht, sagt er, denn Bach sei doch der Größte. Dann zupft er wieder seine Gitarre, die Klarinette weint und der Seelentröster stimmt den nächsten magischen Gesang an. Er handelt von Blut, Wein, Sonne und der Rettung durch Musik. Zur Zugabe setzt er sich dann ein Basecap voller Palmen auf. Er singt nun seine Version von „Is my Living in Vain“ von den Clark Sisters. Ein Hit, als Billy zehn war.