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Zum Tod des Schriftstellers und Verlegers Gerhard Wolf Er beschrieb Bobrowskis Zimmer

Seine Editionen und Essays machten ihn bekannt: Nun ist der Autor und Witwer von Christa Wolf im Alter von 94 Jahren gestorben.

Von Christian Eger 07.02.2023, 17:50
Gerhard Wolf (Mitte) 1997 mit Christa Wolf und Friedrich Schorlemmer in Quedlinburg
Gerhard Wolf (Mitte) 1997 mit Christa Wolf und Friedrich Schorlemmer in Quedlinburg (Foto: dpa)

BERLIN/MZ - Er lacht gern. Springt auf im Gespräch, wenn ihn ein Einfall kitzelt. Unterbricht die Rede, um Lektüre- oder Reisetipps zu streuen. Umstandslos ist er beim Duzen. „Da musst du mal hinfahren.“ Oder: Das mal lesen. Sagt ein Gedicht auf, das ihm gefällt: „Ist doch gut, oder?“ Spricht es und verschwindet in seinem Pankower Arbeitszimmer, um schnell wieder aufzutauchen: mit Büchern, Bildern, Versen.

So ist es gewesen: Mitte der 1990er Jahre. Gerhard Wolf ist ganz in seinem Element, während seine Frau, die berühmte Schriftstellerin Christa Wolf, vergeblich auf ihn einredet, dass ein Ende zu finden und gemeinsam eine Ausstellungseröffnung zu besuchen sei. Gerhard Wolf will aber kein Ende, nimmt seine Gäste lieber mit.

Ein Begeisterter, der Begeisterung teilen will, das ist Gerhard Wolf gewesen: als Schriftsteller, Lektor und Verleger. Spät, aber nicht zu spät gründete der aus dem thüringischen Bad Frankenhausen stammende, in Jena ausgebildete Germanist 1990 seinen eigenen Verlag: Gerhard Wolf janus press, ein Unternehmen für avancierte Literatur und Bildkunst: Carlfriedrich Claus, Otl Aicher, Franz Mon, A. R. Penck und Christa Wolf.

1951 hatte Gerhard Wolf die künftige Schriftstellerin geheiratet. Er war ihr Ratgeber, immer ihr erster Lektor. Dabei war er selbst ein beachtlicher Autor. Wolfs „Beschreibung eines Zimmers. 15 Kapitel über Johannes Bobrowski“ (1971) gehört zum Besten der neueren deutschen Essayistik. Er war es, der von 1980 an gemeinsam mit Günter de Bruyn die Edition Märkischer Dichtergarten bestellte. Er war es, der 1988 bei Aufbau die Edition „Außer der Reihe“ (Döring, Schedlinski, Faktor) gründete.

Gerhard Wolf war mehr als der Mann an der Seite seiner Frau. Aber an dieser Seite stand er: liebevoll, loyal, fürsorglich. 2011 sprach er das Schlusswort auf der Gedenkfeier für Christa Wolf in der Akademie der Künste im Tiergarten in Berlin. Er las aus dem Ende des letzten Buches seiner Frau: „Stadt der Engel“. Sein Vortrag ging über in die über Lautsprecher eingespielte Stimme Christa Wolfs: „Wohin sind wir unterwegs?Ich weiß es nicht“. Am Dienstagmorgen ist Gerhard Wolf, wie der Aufbau Verlag mitteilte, im Alter von 94 Jahren gestorben.