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Archiv von Inge und Walter Jens vollständig erschlossen Briefe an Freunde

Naumburg, Halle, Wittenberg: Zahlreich waren die DDR-Kontakte des berühmten Autorenpaares, dessen Nachlass die Berliner Akademie der Künste besitzt

Von Christian Eger 07.03.2023, 17:34
Einstmals viel gefeiert: Autorenehepaar Inge und Walter Jens
Einstmals viel gefeiert: Autorenehepaar Inge und Walter Jens (Foto: dpa)

BERLIN/MZ - Stichwort DDR: neun Erwähnungen. 1990: Gedenkrede auf die Demonstration am 4. November 1989 in Ostberlin. Aus dem selben Jahr: Rede „Gegen den Ausverkauf der DDR-Kultur“. Radiobericht von 1974: „Über das Fußballspiel DDR-BRD“.

Von Fußball bis DDR-Gedenken: Wer im neu eingerichteten Online-Archiv für das Schriftstellerpaar Inge und Walter Jens unterwegs ist, kann einiges entdecken. Auch regional: Der mit dem Tübinger Autorenpaar befreundete Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer taucht sieben Mal auf. Der Theologe und Nietzsche-Forscher Reiner Bohley, von 1975 bis 1982 Rektor des Kirchlichen Proseminars in Naumburg, vier Mal. Darunter der vom Autorenpaar Jens 2001 verfasste Nachruf: „Ein Ecce für Reiner Bohley“.

Aber wer erinnert heute an Walter Jens? An diesem Mittwoch wäre der Schriftsteller, der 2013 gestorben ist, 100 Jahre alt geworden. Jens, der Rhetorik-Professor, der West-Pen-Chef, der Redner, Mahner und Künder. Einst viel gefeiert, heute fast vergessen, seit 2009 zu Tage kam, dass Jens seine NSDAP-Mitgliedschaft offenbar beschwiegen, seine NS-Geschichte nie rückhaltlos geklärt hatte. Ein Autoritätsverlust, von dem sich die öffentliche Gestalt nicht erholte.

Nun immerhin das: Die Berliner Akademie der Künste, deren Präsident Jens von 1989 bis 1997 gewesen war, hat vollständig das Archiv von Walter Jens und seiner Ehefrau, der Schriftstellerin Inge Jens (1927-2021) erschlossen. Online erfasst: 20 Meter laufende Akten der Jahre 1933 bis 2013.

Jahre, die auch mit der protestantischen Opposition in der DDR verbunden waren. „Keine Reisen in ferne Länder, sondern immer nur in die DDR“, notierte Inge Jens 1979 in ihr Tagebuch. Denn: „Wo gab es interessantere Leute?“

Das kann nun recherchiert werden. Das namhafte Nachkriegsdeutschland versammelt sich hier in Briefen. Zudem: Notizbücher, Kalender, Schriften. Darin der 2016 von Inge Jens veröffentlichte Bericht „Langsames Entschwinden. Vom Leben mit einem Demenzkranken“, in dem sie die letzten Jahre mit ihrem Mann eindrücklich geschildert hatte.

Das Jens-Archiv im Internet: www.archiv.adk.de/bigobjekt/9171