1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Kultur
  6. >
  7. 100 Jahre Desginschule: Bauhaus für Tiere

EIL

100 Jahre Desginschule Bauhaus für Tiere

Dessau-Roßlau will 100 Jahre Designschule feiern. Das Errichten eines von Walter Gropius entworfenen Schweinestalls gehört dazu. Wenn es der Stadtrat genehmigt.

Von Christian Eger 15.08.2024, 17:34
Sein mutmaßlich letzter Bauentwurf war ein Schweinestall: Bauhausgründer Walter Gropius (1883-1969)
Sein mutmaßlich letzter Bauentwurf war ein Schweinestall: Bauhausgründer Walter Gropius (1883-1969) (Foto: dpa)

DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Wahrscheinlich war es der letzte Gropius-Entwurf. Und vielleicht wird es der letzte realisierte Gropius-Bau in Dessau-Roßlau sein. Im Jahr 1967, zwei Jahre vor seinem Tod, hatte der im amerikanischen Lincoln, Massachusetts, lebende Bauhausgründer Walter Gropius einen Schweinestall für den bayrischen Porzellan-Fabrikanten Philip Rosenthal entworfen. Das Projekt war ein Freundschaftsdienst, das Erfüllen einer Wettschuld. Es gibt eine von Gropius gefertigte Zeichnung. Aber keinen Bau.

Jedenfalls bis jetzt. Geht es nach den im Dessauer Kulturamt gesammelten Wünschen für das Bauhaus-Jubeljahr 2025, in dem die 100. Wiederkehr der Ansiedlung der legendären Designfachschule in Dessau gefeiert werden soll, könnte die Realisierung des Gropius-Stallentwurfes ein Höhepunkt unter anderen im städtischen Festprogramm werden – realisiert im Tierpark Dessau. Bauhaus für Tiere. Ein Gropius von neuer Art, aber alten Typs: Flachdach, Rundfenster, Hochfenster (wie in der Bauhaus-Siedlung Törten), Auslauf vor der Hütte. Es sieht aus „wie ein Bungalow für Schweine“, sagt die Direktorin der Stiftung Bauhaus, Barbara Steiner.

Sehr ausführlich wurde am Donnerstagmittag unter freiem Himmel über den Wunschbau diskutiert – im Stadtpark hinter dem Bauhaus Museum in Dessau. Auf Stühlen im Grün saßen der Oberbürgermeister von Dessau, Robert Reck (parteilos), die Kulturamtsleiterin Nadine Willing-Stritzke, der städtische Projektkoordinator Andreas Hillger und die Direktorin der Bauhaus-Stiftung. Sie wird hier an letzter Stelle genannt, denn die Stiftung wird ihr eigenes Festprogramm erst am 4. Dezember lüften. Es wird nicht nur in Etappen gefeiert, sondern auch verlautbart.

Allerdings auch das nur unter Vorbehalt. Denn das, was da als städtisches Programm unter dem Slogan „Das Bauhaus kommt nach Dessau“ der Presse vorgestellt wurde, ist noch gar nicht vom Stadtrat beschlossen! Es ist ein Wunschzettel. Eine Rechnung noch ohne Wirt. Auch das ist neu: Man geht erstmal in die Öffentlichkeit und dann in den Stadtrat.

Was wünscht sich die Stadt? Selbstverständlich ein großes Fest, ein Doppelfest, gestreckt über zwei Jahre: 2025 100 Jahre Ansiedlung Bauhaus, 2026 100 Jahre Eröffnung Bauhaus-Gebäude in Dessau. Feiern wollen Stadt und Stiftung Bauhaus gemeinsam und zwar vom Bauhausfest 2025 an, das im September stattfinden soll. Das steht immerhin schon fest. Noch nicht das Motto der gemeinsamen Feierlichkeiten. Man wird sich wohl, war dem Wortwechsel zu entnehmen, unter der Zeile „Bauhaus Dessau 100“ finden.

Geplant, das heißt, erhofft, sind im Einzelnen: eine vom Stadtarchiv Dessau-Roßlau zu veröffentlichende Chronik unter dem Titel „1925 – Das Bauhaus kommt nach Dessau“, ein Buch, das im dokumentarischen Florian Illies-Stil das Jahr in seinen alltäglichen Ereignissen nachzeichnet. Zudem: eine Ausstellung historischer Fotografien im Stadtgeschichtsmuseum und eine dezentrale Schau, die auf die Stätten der Bauhäusler und ihrer Unterstützer in der Stadt verweist. Ausstellen will auch das Technikmuseum „Hugo Junkers“, das die Beziehungen der Schule zu den Junkers-Werken erhellen will.

Wie schon zu Anlässen vergangener Jahre soll es eine öffentliche Lesereihe geben. Lustig ist der Einfall, natürliche und künstlerisch gestaltete Kakteen für den passionierten Kakteensammler Gropius zu sammeln, der die Stücke einst auf seiner Meisterhausterrasse aufstellte. „Kakteen für Walter“ heißt die Aktion, die von der Dessauer Künstlerin gemeinsam mit Schülern des Philanthropins vorangetrieben werden soll.

Schließlich die Schweine-Sache. Mini-Bauhaus im Tierpark. Ob Gropius den Tieren gut täte, ist es etwas anderes, aber zu diskutieren gäbe und gibt es viel. Stichworte, die im Stadtpark bei der Erörterung des Schweinestall-Projektes fielen: Tierwohl, Bauentwurfslehre, Materialität, „Upcycling“ (Aufwertung), nämlich von Zooarchitektur. Die Rede ist von einem „Begegnungsort für Menschen und Tiere“. Sogar von einer „Bar“ wird gesprochen. Na wunderbar.

Und die Stiftung Bauhaus? Die will sich zwar erst im Dezember in die Karten schauen lassen, aber das Stichwort „Ausstellungen“ fiel dann doch. Und dass man sich mit „Materialfragen“ beschäftigen wolle, „den wirtschaftlichen, materiellen, technologischen Grundlagen der Produktion damals“, gibt Barbara Steiner bekannt. Und wie um vorschnelle Kritik schon abzuwehren: „Wir werden die Bauhaus-Fans nicht enttäuschen“. Was heißt: Es gibt auch was zu sehen.

„Die Bauhäusler haben gerne gefeiert“, sagt Robert Reck. „Das wollen wir auch“. Jetzt muss es nur noch finanziert werden. Der Ball liegt beim Stadtrat. Das war beim Beschluss über die Bauhaus-Ansiedlung vor 100 Jahren auch so.