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Krise im Handwerk Krise im Handwerk: «So kann es nicht mehr weitergehen»

Von Jörg Biallas 09.02.2003, 19:24

Bad Lauchstädt/MZ. - Frank Liebchen humpelt durch sein Büro. "Kreuzbandriss im Knie", erklärt der 47-Jährige, "am zweiten Tag im Skiurlaub." Der Mann verzieht das Gesicht. Nicht vor Schmerzen. Eher aus Ärger darüber, dass der sauer verdiente Urlaub nach einem Ausflug in den Tiefschnee Operation und Krankengymnastik statt Buckelpiste und Après-Ski bescherte. Aber was soll's. Krankfeiern geht nicht, der Heizungs- und Sanitärbetrieb HLS-Kompakt muss schließlich weiterlaufen.

"Haben nämlich alles andere als rosige Zeiten", brummelt der Chef in den Schnäuzer. Und: "So kann es nicht weitergehen in Deutschland."

Dem Handwerk geht es schlecht. Das ist keine neue Nachricht. Aber: "Niemand tut etwas dagegen", schimpft der Bad Lauchstädter. Darum fährt er heute nach Berlin, um an einer Großdemonstration gegen die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung teilzunehmen. Motto: "Jetzt reicht's! Handwerk gegen Stillstand."

Frank Liebchen ist nämlich keiner, der sich einfach so seinem Schicksal ergibt: "Dafür habe ich zu viel durch." Dabei lief es für den Meister der Maschinen- und Anlageninstandsetzung, der sich schon zu DDR-Zeiten selbstständig gemacht hatte, nach der Wende zunächst alles andere als schlecht. "Wir haben investiert, die Banken fragten damals nur: Darf es nicht noch ein bisschen mehr Kredit sein?" Alle wollten neue Heizungen, und die Firma Liebchen mit ihren 30 Monteuren, je zwei Planungsingenieuren sowie Meistern und vier Bürokräften lieferte und baute ein. Goldene Zeiten!

Dann der Einbruch: "Auf einmal häuften sich die Fälle, in denen Zahlungen ausblieben oder zurückgehalten wurden." Bauunternehmen, für die die Bad Lauchstädter gearbeitet hatten, gerieten in finanzielle Schwierigkeiten; Aufträge von Kommunen nahmen kontinuierlich ab. Schließlich wurde unabwendbar, was jahrelang ausgeschlossen schien: Frank Liebchen war am Ende. Trotz ehrlicher Arbeit. Trotz 850 fester Kunden in der Firmenkartei. Trotz ordentlicher Auftragslage.

"Verdammt", erinnert sich der Firmenchef an jene bitteren Tage, "da habe ich mir gesagt: Es lohnt sich trotzdem weiterzumachen." Nach der Gesamtvollstreckung der alten gründete also seine damals 70-jährige Mutter eine neue Firma. "Wenn ich die Familie nicht gehabt hätte ..." Heute arbeitet der Handwerker als Angestellter seiner Mutter, seine Tochter hat das gesamte Firmengelände erworben, ihre Eltern wohnen zur Miete im eigenen Haus. Inzwischen hat die HLS-Kompakt GmbH wieder 14 Angestellte - und: "Der Laden läuft."

Er könnte allerdings noch wesentlich besser laufen, glaubt Frank Liebchen. Denn: "Die politischen Rahmenbedingungen stimmen nicht." Beispiel Lohnnebenkosten: "Viel zu hoch, wer soll denn da noch zusätzlich Leute einstellen?" Oder die Steuerpolitik: "Wir brauchen dringend Erleichterungen für kleine und mittelständische Betriebe, die Kapital aufgenommen haben, um zu investieren." Nichts davon werde so umgesetzt, wie das Handwerk es brauche. Stattdessen die "Ich-AG" ("Instrument zur Förderung von Scheinselbstständigkeit und Schwarzarbeit") und falsche Vergabepraxis bei öffentlichen Aufträgen: "Der Billigste kriegt den Zuschlag, egal, wie der seine Leute bezahlt."

Mit der Bezahlung ist das nämlich so eine Sache. Frank Liebchen ist ein Arbeitgeber, der seine Mitarbeiter gern anständig entlohnt. Und deshalb überkommt ihn mitunter die blanke Wut. "Das war auf einer Großbaustelle in Berlin." Außer den Bad Lauchstädter Monteuren arbeiteten dort auch viele ausländische Arbeitskräfte anderer Firmen. "Offiziell war das in Ordnung, die hatten alle einen tariflichen Teilzeit-Arbeitsvertrag über 20 Stunden in der Woche." Aber: "Wenn meine Jungs Feierabend machten, hörten die anderen nicht auf, auch nicht an den Wochenenden." 60 Stunden Arbeit für den Lohn von 20. Unterm Strich bleibt da ein Stundenlohn von zwei, drei Euro. Und ein kleiner Handwerksmeister, der gegen so eine Konkurrenz keine Chance hat.