Kohlerevier im Wandel Kohlerevier im Wandel: Land Sachsen-Anhalt meldet acht "Leuchtturm-Projekte" für Milliarden an

Magdeburg - Das Wettrennen um Visionen hat begonnen: Sachsen-Anhalts Landesregierung will den Kohleausstieg und den Wegfall von Arbeitsplätzen mit Milliardeninvestitionen im Revier abfangen. „Leuchttürme“ sollen es sein, die künftig wirtschaftlich ausstrahlen. Die Regierung listet die Prestigeprojekte nun erstmals auf, erwartet dafür drei Milliarden Euro vom Bund.
Einer der acht Vorschläge: Im Kohlegebiet soll bald mit modernen Verfahren saubere Energie gewonnen werden. Eine „Wasserstoff-Modellregion“ schweben Umwelt- und Energieministerin Claudia Dalbert (Grüne) und der Staatskanzlei vor. „Es ist eine Energieregion, es soll eine Energieregion bleiben“, sagt Dalbert über den Landessüden.
Grüner Hoffnungsträger: Im Revier soll intensiver zu Wasserstoff geforscht werden
In dem Projekt geht es um grünen Wasserstoff: Er ist sauber, kraftvoll, gilt Forschern als Energielieferant der Zukunft. Freigesetzt wird das Gas durch Elektrolyse, sie zerlegt Wasser in seine Bestandteile. Der Strom dafür kommt aus erneuerbaren Energien, etwa Sonne und Wind. So ist eine schadstoffarme Energieerzeugung möglich. Geht es nach Dalbert - und auch Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) - soll im Revier intensiver denn je zu Wasserstoff geforscht werden: von Herstellung, Transport und Speicherung bis hin zur Nutzung.
Das könnte zum Beispiel mit dem Großprojekt „GreenHydroChem“ geschehen: Ein Verbund aus Industriegrößen wie Fraunhofer, Siemens, Linde AG und anderen hat genau solche Pläne geschmiedet. Das Konsortium will im mitteldeutschen Chemiedreieck die komplette Wertschöpfungskette des grünen Wasserstoffs erforschen und austesten.
Geplant sind dafür neue Großelektrolyseanlagen in Leuna und Bad Lauchstädt (Saalekreis). Wasserstoff-Pipelines gibt es vor Ort bereits, schreibt Siemens in einer Bewerbung an das Bundeswirtschaftsministerium. „Darüber gelangt der grüne Wasserstoff zu potenziellen Kunden, zum Beispiel der Raffinerie in Leuna.“ Der Energiespeicher sei so groß, dass auch Windflauten abgefangen werden könnten - der notwendige Strom soll vom Windpark in Bad Lauchstädt kommen.
Die Staatskanzlei hofft für das Zukunftsprojekt auf Bundesgeld in dreistelliger Millionenhöhe - entweder aus dem Kohlebudget oder anderen Förderprogrammen. Das Projekt sei „seit Monaten vorbereitet, gemeinsam von der Staatskanzlei, den Ministerien für Wirtschaft und Energie und Fraunhofer“, so Haseloff. Dalbert sieht mit Blick auf die Wasserstoff-Modellregion Anknüpfungspunkte zur bisherigen Industrie: „Bisher arbeiten im Revier viele Ingenieure, die Berufsbilder sind sehr ähnlich.“ Geht es nach ihrem Ministerium, sollen ansässige Unternehmen den Wasserstoff in Zukunft nutzen. „Eine zentrale Rolle wird der Wasserstoff als Schnittstelle zwischen den erneuerbaren Energien und einer nachhaltigen Industrie spielen“, so die Ministerin.
Hilfe fürs Revier
Die Wasserstoffpläne sind nur ein Part der achtteiligen Liste, die die Staatskanzlei nun an die Bundesregierung geschickt hat (siehe: „Das sind die Leuchttürme der Landesregierung“). Ein zentraler Punkt lautet „Industrieregion Mitteldeutsches Revier“. Er enthält den Ausbau des Chemieparks Zeitz, weitere Erschließung von Industrie- und Gewerbegebieten sowie die Fachkräftesicherung im Revier. Ausgebaut werden soll das S-Bahnnetz, auch die Energieinfrastruktur im Süden soll nach und nach modernisiert werden. Ein „Zentrum für regionale Entwicklung“ in Zeitz soll die Zukunft des ländlichen Raums erforschen. In der Leuchtturm-Liste enthalten ist auch die Ortsumgehung Bad Kösen. Das Verkehrsministerium rechnet mit Baukosten von 120 Millionen Euro.
Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) sagte am Freitag über das Maßnahmepaket: „Oberste Priorität haben dabei Vorhaben zum Ausbau der wirtschaftsnahen Infrastruktur an den Kraftwerks- und Bergbaustandorten.“ Mit den Investitionen würden Rahmenbedingungen geschaffen, mit denen wegfallende Kohle-Arbeitsplätze durch zukunftsfähige Jobs ersetzt würden. Der Strukturwandel in den Kohleregionen sei „kein Sprint, sondern ein Marathon“.
Das sind die Leuchttürme der Landesregierung
Insgesamt 40 Milliarden Euro soll der Bund den vom Kohleausstieg betroffenen Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen zur Verfügung stellen - ausgezahlt über 20 Jahre. Sachsen-Anhalt könnte 4,8 Milliarden bekommen. Allein für die jetzt gemeldeten Leuchtturmprojekte im Land sollen nach Prognosen der Staatskanzlei in Magdeburg bis zu drei Milliarden Euro fließen. Die Liste der acht Leuchttürme im Detail:
(mz)