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Klage um Kita-Platz Klage um Kita-Platz: «Sehr erfolgversprechend»

20.01.2013, 18:17

BERLIN/MZ. - Viele Städte stellen sich auf Klagen von Eltern ein, die ab August keinen Betreuungsplatz für ihr Kleinkind bekommen. Über das Thema sprach Mira Gajevic mit Ronald Richter (Foto), Anwalt aus Hamburg und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht beim Deutschen Anwaltverein.

Empfehlen Sie Vätern und Müttern, Städte zu verklagen, wenn diese keine Betreuung bei einer Tagesmutter oder in einer Kita anbieten können?

Richter: Selbstverständlich. Der Rechtsanspruch sollte durchgesetzt werden. Länder und Gemeinden hatten genug Zeit für den KitaAusbau. Trotzdem fehlen 150 000 Plätze. Und zwar nicht einmal, um eine 100-Prozent-Versorgung zu erreichen, sondern nur eine 40-prozentige. Wenn beide Eltern arbeiten müssen, haben sie jedes Recht, ihren Anspruch auf einen Kitaplatz per Gericht durchzusetzen. Die Politik hat zu lange geschlafen.

Wie erfolgsversprechend sind solche Klagen?

Richter: Sie sind sehr erfolgsversprechend. Es gibt einen gesetzlichen Anspruch und dem müssen die Städte und Kommunen nachkommen. Da gibt es keinen Ermessensspielraum. Daher ist auch die Aufregung bei den Kommunen so groß, weil sie wissen, dass sie die Fälle vor Gericht verlieren werden und zwar krachend. Ein langes Verfahren, an dessen Ende die Eltern zwar Recht bekommen, das Kind aber schon in der Schule ist, nutzt allerdings nichts. Deshalb muss im Einzelfall relativ schnell gehandelt werden, mit einer einstweiligen Anordnung. Dazu muss die Bescheinigung des Arbeitgebers reichen, wonach die Arbeitsstelle weg ist, wenn das Kind nicht fremd betreut werden kann.

Worauf können Eltern klagen?

Richter: Zunächst einmal klagen sie darauf, dass sie einen Kita-Platz für ihr Kind bekommen. Wenn das nicht möglich ist, klagen sie auf die Übernahme der Mehrkosten durch eine private Versorgung. Sollte gar keine Betreuung möglich sein und ein Arbeitsplatz so nicht angetreten werden können, kann man versuchen, auf Schadenersatz wegen des entgangenen Lohns oder Gehalts zu klagen. Das ist allerdings schwierig. Da gibt es bislang auch keine entsprechenden Urteile.

Was ist, wenn ich zwar einen Platz in einer Kita bekomme, die aber am anderen Ende der Stadt liegt. Muss ich den trotzdem annehmen?

Richter: Das wird die große Frage sein: Was ist zumutbar? Da bewegen wir uns bislang sehr im Graubereich. Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass die Städte und Gemeinden versuchen werden, mit allen Mitteln Plätze zu schaffen. Das sind derzeit auch die häufigsten Anfragen, die ich bekomme. Eltern wird zum Beispiel gesagt, dass ein halber Platz auch reicht. Gruppen werden aufgebläht. Oder ein zweijähriges Kind soll in die Gruppe der Vorschüler gehen. Andere müssen 45 Minuten bis zur Kita fahren. Da werden wir auf die Rechtsprechung angewiesen sein, was zumutbar ist. Die Gemeinde kann jedoch entscheiden, ob man einen Platz bei der Tagesmutter oder in der Kita bekommt. Dagegen kann man sich nicht wehren. FOTO: PRIVAT