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Justiz Justiz: «Richter ohne Robe» hinterfragen alles

Von Antonie Städter 27.04.2011, 05:41
Der ehrenamtliche Jugendschöffe Lothar Pfeiffer sitzt hinter Handschellen in einem Sitzungssaal im Amtsgericht in Köthen (FOTO: DPA)
Der ehrenamtliche Jugendschöffe Lothar Pfeiffer sitzt hinter Handschellen in einem Sitzungssaal im Amtsgericht in Köthen (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Radegast/Magdeburg/dpa. - An seinen ersten Einsatz alsSchöffe erinnert sich Lothar Pfeiffer noch genau. Es war Anfang der90er Jahre und er, dem es sonst selten die Sprache verschlägt, warzunächst einmal recht zurückhaltend. «Ich muss zugeben, dass ichdamals noch nicht den Mut hatte, in der Verhandlung Fragen zustellen - obwohl ich Fragen gehabt hätte», sagt der 60-Jährige ausRadegast (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) heute. Ziemlich überraschtsei er damals gewesen, «dass man dort vorn sitzt und von Anfang angenauso respektiert wird wie der Berufsrichter». Danach stand seinEntschluss fest: Beim nächsten Mal wird gefragt!

Seit dieser Zeit hat Pfeiffer inzwischen 14 Jahre Erfahrung alsSchöffe. Er ist zudem der Landesbeauftragte für Sachsen-Anhalt beider Vereinigung der ehrenamtlichen Richterinnen und RichterMitteldeutschlands. Deren Mitglieder setzen sich nicht nur dafürein, dass die Bedeutung der Schöffentätigkeit in der Öffentlichkeitthematisiert wird, sondern organisieren auch Schulungen und Treffenzum Erfahrungsaustausch für die ehrenamtlichen Richter.

Heute sagte Pfeiffer: «Ich hinterfrage alles.» Zurzeit ist er alsJugendschöffe am Amtsgericht Köthen tätig. Und bringt sich auch mitVorschlägen für die Urteilsgestaltung ein. Einmal zum Beispiel - esging um ein Gewaltdelikt - habe er vorgeschlagen, dass derBeschuldigte sich nicht nur schriftlich entschuldigen, sondern sichüber mehrere Seiten auch dazu äußern soll, dass Gewalt kein Mittelzur Konfliktlösung ist. Diese Auflage sei ins Urteil mit aufgenommenworden. «Im Jugendstrafrecht hat ja die Erziehung Priorität - damuss man einmal mehr überlegen, wie man erzieherisch wirken könnte,bevor man zur Strafe greift», sagt der frühere Lehrer.

So wie Pfeiffer engagieren sich laut dem MagdeburgerJustizministerium mehr als 2400 Menschen in Sachsen-Anhaltehrenamtlich als «Richter ohne Robe». Schöffen stehen grundsätzlichgleichberechtigt neben den Berufsrichtern: Ihre Stimme ist in derAbstimmung von gleichem Gewicht. Die Amtsperiode dauert fünf Jahre.Die nächste Schöffenwahl im Land findet in zwei Jahren für dieAmtsperiode von 2014 bis 2018 statt. «Grundsätzlich kann zumSchöffen jeder deutsche Staatsbürger im Alter zwischen 25 und 69Jahren berufen werden, der in einer vorschlagsberechtigten Gemeindewohnt», erklärt eine Ministeriumssprecherin. Es gebe aberAusschlussgründe: Schöffe darf etwa nicht werden, wer wegen einervorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechsMonaten verurteilt ist.

Zwar ist der Arbeitgeber verpflichtet, Angestellte zur Ausübungdes Schöffenamtes freizustellen - doch: «Es gibt in dieser Hinsichtvereinzelt immer noch uneinsichtige Arbeitgeber», so Pfeiffer. Undwas war für ihn als Schöffe sein bisher eindrücklichster Fall? Dagebe es zwar mehrere, erzählt er. Doch kurios war, als er amAmtsgericht Köthen einmal zwei Verhandlungstermine an einem Taghatte - und mittags bemerkte, dass der Beschuldigte vom Morgen nunbei einer ganz anderen Sache Geschädigter war. «Da musste ich dievorige Verhandlung natürlich ausblenden», sagte Peiffer, der sichzudem unter anderem im Landeselternrat engagiert. Die Ehrenämtermachen ihm Freude, erzählt er - «auch, weil ich weiß, dass ich damitetwas bewegen kann.»