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Interview mit dem Bundesverband Kinderhospiz Interview mit dem Bundesverband Kinderhospiz: Todkranke Kinder: Ein Tabu das Angst macht

10.02.2016, 19:36
Oftmals brauchen nach dem Tod eines Kindes auch die Eltern Hilfe.
Oftmals brauchen nach dem Tod eines Kindes auch die Eltern Hilfe. dpa Lizenz

Halle (Saale)/Lenzkirch - Über die Bedeutung von Hospizen für todkranke Kinder und deren Angehörigen sprach Anne Schneemelcher am „Tag der Kinderhospizarbeit“ mit Sabine Kraft, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Kinderhospiz.

Sind sterbende Kinder im Hospiz noch immer ein Tabu-Thema?

Kraft: Ja! Es ist ein Thema, das Angst macht, was man nicht hören und sehen will, so lange es einen nicht selbst trifft. Dabei geht es keinesfalls um Einzelfälle. In Deutschland leben 40.000 Familien mit Kindern und Jugendlichen, die lebensverkürzende Krankheiten haben.

Was haben die Kinder am häufigsten für eine Erkrankung?

Kraft: Statistisch gesehen sind es Stoffwechsel- und Muskelerkrankungen, die erst nach dem ersten Lebensjahr festgestellt werden. Das ist heimtückisch. Die Kinder sind begabt und intelligent - dann entwickeln sie sich zurück und erleben bei vollem Bewusstsein, wie sie nicht mehr laufen oder sehen können. Weil die Krankheit vererbbar ist, trifft es oft auch Geschwister, die vor der eigenen Diagnose sehen, was ihnen bevor steht.

Welche Formen der Betreuung gibt es in einem Hospiz?

Kraft: Es gibt Häuser, sogenannte Kinderhospize, in denen die kranken Kinder und ihre Familie aufgenommen werden. Anders als in Hospizen für Erwachsene kommen sie aber nicht nur zum Sterben dorthin, sondern auch um sich zu erholen. Der monate- und jahrelang Verlauf vieler pädiatrischer Erkrankungen bedeutet für die Familie höchste Anspannung. Vier Wochen im Jahr haben sie die Möglichkeit im Hospiz zu entspannen. Oftmals haben sie keine Chance, zusammen Urlaub zu machen. Die letzten Tage, Wochen oder auch Monate ihres Lebens können sie unbefristet im Hospiz verbringen. Darüber hinaus gibt es den ambulanten Dienst, der Eltern, Geschwister und die Kinder Zuhause begleitet.

Wie sind sie bundesweit aufgestellt?

Kraft: Hospize sind teure Einrichtungen. Wir erwarten von unseren regionalen Mitgliedern, dass sie eine Bedarfsanalyse erstellen, bevor neue Einrichtungen gebaut werden. In Freiburg muss dringend eins entstehen, im Saarland auch. Mangel besteht in Bayern und Baden-Württemberg. Dort gibt es keine oder nur ein Kinderhospiz.

Und in Mitteldeutschland?

Kraft: Der Osten ist gut abgedeckt. Im thüringischen Tambach-Dietharz, in Leipzig und Magdeburg gibt es jeweils eine relativ neue Einrichtung. Mir sind keine ewigen Wartezeiten dort bekannt.

Wie finanziert sich Hospizarbeit?

Kraft: 30 bis 50 Prozent der Kosten übernehmen die Krankenkassen. Der Rest muss über Spenden gedeckt werden, weil wir zum Beispiel keine Unterstützung für die Betreuung von Eltern und Geschwister nach dem Tod des Kindes erhalten. Der realistische Tagessatz ist etwa 700 Euro hoch - wir erhalten 250 bis 480 Euro pro Kind im stationären Bereich. Auch im ambulanten Kinderhospiz-Bereich sind wir auf Spenden angewiesen.

Hilft da die Berichterstattung über Einzelschicksale, die dann viele Menschen bewegen?

Kraft: Leser oder Radiohörer werden so zunächst emotional berührt - das Wort Kinderhospiz ist nämlich zu abstrakt. Da hilft eine Berichterstattung über Einzelfälle. Denn das sind Geschichten, die berühren und den Geldbeutel öffnen.

Reicht das für Ihre Arbeit?

Kraft: Nein. Vor zehn Jahren hatte ich die Vision, dass das Wort Kinderhospiz so bekannt wird, wie das Wort Kindergarten. Aber soweit sind wir noch nicht.

Von wem erwarten Sie mehr ?

Kraft: Von Politikern. Ich wünsche mir, dass sie einen Weg für institutionelle Förderung finden. Denn wir leben nur von Spenden. (mz)

Der Verband im Internet: www.bundesverband-kinderhospiz.de