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Insolvenz-Verfahren Insolvenz-Verfahren: Böses Erwachen nach sieben sauren Jahren

Von Hajo Krämer 09.04.2001, 17:33

Nach Gesetzeslage ist der Antrag auf das Erlassen der Restschulden schon zu Beginn eines Insolvenzverfahrens zu stellen, erläutert der hallesche Richter Joachim Kerner, Vorsitzender des Vereins Insolvenzforum Sachsen-Anhalt. Und zwar bis zum so genannten Berichtstermin, an dem der zuständige Treuhänder dem Gericht Auskunft über die Situation des Schuldners und die verfügbaren Mittel für die Gläubiger gibt. Für den insolventen Gastwirt böhmische Dörfer. Erst als der später auf sein Versäumnis hingewiesen wurde, stellte er beim zuständigen Insolvenzgericht in Dessau einen so genannten Wiedereinsetzungsantrag, um seine Restschuldbefreiung doch noch auf den Weg bringen zu können.

Abgelehnt. Er hätte sich "besser kundig" machen sollen, hieß es. Auch eine sofortige Beschwerde beim Landgericht wurde abgewiesen. Jetzt ist der Schuldner vor das Oberlandesgericht (OLG) gezogen und auch dort gescheitert. Er hätte seinen Wiedereinsetzungsantrag innerhalb von zwei Wochen, nachdem er auf die Fristversäumung hingewiesen worden war, stellen müssen. Nun wird für den Schuldner nach sieben sauren Jahren alles wieder von vorne losgehen.

Ein Einzelfall, meint das Justizministerium in Magdeburg. Doch der Fehler in der Broschüre wird eingeräumt. "Wir sind dankbar für den Hinweis. Wegen der missverständlichen Formulierung besteht Handlungsbedarf", sagt Sprecherin Marion van der Kraats. Das hat womöglich Konsequenzen für viele Bundesländer, weil sich auch deren Broschüren-Inhalte an Vorlagen aus dem Bundesjustizministerium orientieren. Aber wahrscheinlich werden erst im Zuge der diesjährigen Reform des Insolvenzrechtes veränderte Informationsblätter gedruckt. Bis dahin könnten die Schuldnerberater auf den Schwachpunkt hinweisen. Doch gerade deren Arbeit sieht der Verein Insolvenzforum kritisch. Die Schuldnerberatungsstellen seien "nach wie vor überlastet", so die Erfahrung der stellvertretenden Vereinsvorsitzenden Silvia Illmann. Die Wartezeit für einen Beratungstermin im Rahmen einer Verbraucherinsolvenz betrage bis zu einem halben Jahr. Schwerer wiege, dass es mitunter zu "gravierenden Fehlern" käme. So hätte ein Berater in einem Antrag auf Restschuldbefreiung versäumt, den Schuldner als so genannten Altfall kenntlich zu machen, der schon vor 1997 zahlungsunfähig war. Damit müsse der Betroffene nun sieben statt fünf Jahre auf die Schuldenbefreiung warten. "Ein klarer Fall für eine Schadenersatzklage", meint Illmann.

"Die Befreiung von den Restschulden wird allerdings nicht automatisch gewährt", betont Vereinsvorsitzender Joachim Kerner. Wer sich nicht an die Auflagen des Gerichtes halte oder nicht nachweisen könne, was er mit aufgenommenen Krediten gemacht hat, dem bleibe eine solche Befreiung versagt. Als Beispiel führt der 38-jährige Zivil- und Insolvenzrichter beim Amtsgericht Halle eine Einzelhändlerin an, die zwei Jahre lang weder Ladenmiete noch bestellte Ware bezahlte. Oder einen Unternehmer, der Kredite für Maschinen aufnahm, ohne welche zu kaufen.

Nicht nur der Schuldner, auch seine Gläubiger sollten deshalb schon im Insolvenz-Antragsverfahren ihre Probleme auf den Punkt bringen und "gezielt nachfragen", rät Joachim Kerner. Sonst gebe es später vielleicht ein böses Erwachen.