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Hochwasserschutz Hochwasserschutz: Sanierung des Pretziener Wehrs steht vor Abschluss

Von Annette Schneider-Solis 14.10.2010, 08:51
Am Pretziener Wehr stand Anfang Oktober das Hochwasser im Umflutkanal in Pretzien (Salzlandkreis). Die Anlage dient dem Hochwasserschutz der Städte Magdeburg und Schönebeck und ist knapp 163 Meter lang. (FOTO: ARCHIV)
Am Pretziener Wehr stand Anfang Oktober das Hochwasser im Umflutkanal in Pretzien (Salzlandkreis). Die Anlage dient dem Hochwasserschutz der Städte Magdeburg und Schönebeck und ist knapp 163 Meter lang. (FOTO: ARCHIV) dpa-Zentralbild

Pretzien/dapd. - Eine Kreissäge kreischt, Mörtelstaub erfülltdie Luft. In wenigen Sekunden ist eine Mauer am Pretziener Wehrsenkrecht durchtrennt. Die Fuge soll Bewegungen des Mauerwerksausgleichen. Als das Pretziener Wehr vor 135 Jahren gebaut wurde,kannte man das noch nicht. Dennoch ist das Bauwerk 25 Kilometersüdöstlich von Magdeburg ein Meisterwerk der Ingenieurskunst und eintechnisches Denkmal. Im Herbst 1875 wurde die gewaltige Wehranlagefertiggestellt. Italienische Bauarbeiter und französischeKriegsgefangene setzten um, was die Preußische Regierung 1869 nachmehreren verheerenden Hochwassern beschlossen hatte: den Bau einerHochwasserschutzanlage, die das Elbehochwasser aufhalten und imschlimmsten Fall einen Teil des Wassers umleiten sollte.

"Flüsse haben ein Gedächtnis", erklärt der Geschäftsführer desLandesbetriebes für Hochwasserschutz, Burkhard Henning. "Wir habenoft erlebt, dass Deiche genau dort brachen, wo es früher Altarmegab, und der Fluss in sein altes Bett zurückdrängte. Das wusstenauch unsere Vorfahren und gestalteten den alten Elbarm, der beiPretzien abzweigt, zum Umflutkanal um."

Zwtl: Ohne Wehr Deiche überflutet

Die Alte Elbe wurde eingedeicht, in Pretzien wurde ein 134 Meterlanges Wehr mit zehn gemauerten Stützpfeilern und Feldern ausStahlplatten errichtet, welches das Elbwasser bei normalenWasserständen zurückhält und der Schifffahrt bei Niedrigwassergleichzeitig höhere Wasserstände der Elbe sicherte. Bei Hochwassersollte das Wehr geöffnet und ein Teil des Wassers um die StädteMagdeburg, Schönebeck und andere Orte in den Auen herum geleitetwerden. Das sorgt immer wieder für Straßensperrungen durchÜberflutungen am Umflutkanal, doch in Extremfällen wird Schlimmeresverhindert. Beim Jahrhunderthochwasser 2002 hätte ohne dasPretziener Wehr das Elbwasser die Deiche in der Landeshauptstadt undin Schönebeck überflutet.

61 Mal wurden die schweren Stahlplatten im Wehr bislang entfernt.Das erste Mal im Dezember 1875. Die über 300 jeweils zwei Zentnerschweren Stahlplatten wurden mit einer Handwinde herausgezogen.Heute hilft ein Elektromotor. "Trotzdem ist es eine enorme Plackereiund dauert etwa fünf Stunden", verrät Henning. Er hat als jungerIngenieur selbst die Winde bedient. "Ich weiß noch: Bei einemHochwasser Ende der 1980er Jahre haben wir bis zum letzten Momentgewartet, um landwirtschaftliche Flächen zu schonen. Dann musstealles, was in der Verwaltung gesunde Beine und Arme hatte, auf dieWehranlage." Als der Pegel wieder sank, sollte das Wehr schnellstenswieder geschlossen werden. "Aber da hatten wir nicht mehr zehn Gradplus, sondern 20 Grad minus, und das Schließen des Wehres hat übereine Woche gedauert."

Zwtl: Jemanden finden, der nieten kann

In diesem Jahr wurde das Pretziener Wehr für fünf Millionen Eurosaniert. Die Verantwortlichen standen vor großen Herausforderungen.Das Wehr sollte nach den Möglichkeiten moderner Technik ausgebessertwerden, aber auch den Anforderungen des Denkmalschutzes mussteentsprochen werden. "Wir mussten jemanden finden, der nieten kann",erzählt Henning. "Diese Technologie wird heute nicht mehrpraktiziert. In Tornitz haben wir eine Metallbaufirma gefunden, diesich die Technik angeschafft und ihre Mitarbeiter geschult hat."

Ausgerechnet in diesem Jahr stieg der Pegel der Elbe dreimalbedenklich an. "Dafür hatten wir immer einen Notfallplan", berichtetHenning. "Auch wenn wir gehofft haben, dass der Notfall nichteintritt." Das Wehr, in dem die Schützentafeln zur Sanierungteilweise ausgebaut waren, musste schnellstens wieder geschlossenwerden. Die Arbeiten wurden unterbrochen, das schwere Gerät von derBaustelle geräumt. Doch der Zeitplan wurde eingehalten.

Am Wochenende wird das Wehr mit einem Tag der offenen Tür wiederin Betrieb gehen. Gleichzeitig wird der Geburtstag der Anlagegefeiert. Gegenwärtig setzen die Steinmetze die Sandsteinplattenwieder auf die Pfeiler. Einige Restarbeiten stehen aus. Doch erstmuss der Wasserstand der Elbe weiter sinken. Beim letzten Hochwasserfehlten nur wenige Zentimeter am kritischen Wasserstand, der alsGrenzwert für die Wehröffnung gilt.