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Gutachten-Affäre Gutachten-Affäre : Tanz um das böse R-Wort

Magdeburg - Im Finanzausschuss musste sich Minister Felgner wegen einer Unterschrift erklären.

Von Kai Gauselmann 14.09.2016, 16:24
Wirtschaftsminister Jörg Felgner
Wirtschaftsminister Jörg Felgner dpa-Zentralbild

Im Rückblick kommt einem das eigene Handeln bisweilen straffer vor, als es womöglich war. Robert Farle jedenfalls rekonstruierte am Dienstag knackig sein Tun im Finanzausschuss des Landtages: „Ich habe als finanzpolitischer Sprecher der AfD gefordert, dass Herr Felgner zurücktreten soll. Er hat das abgelehnt“, sagte der 66-Jährige. Damit war die spannendste Frage schon geklärt: Ob die Gutachten-Affäre die größtmögliche personelle Konsequenz haben wird.

Ministerpräsident soll Entscheidung treffen

Farle begründete seine Forderung so: „Aus meiner Sicht sind die Vorwürfe vollumfänglich bestätigt worden.“ Felgner habe nichts ausräumen können. „Über Monate hinweg wurde ein Vertragswerk geschaffen, wo von Anfang an klar war, dass Aufträge an das ISW gehen sollten“, sagte Farle. An eine ganz so straffe Rücktrittsforderung erinnerten sich andere Teilnehmer der Sitzung nicht. Farle habe formuliert, er „müsste eigentlich“ und „leider“ den Rücktritt fordern, denn: „Jemand muss ja die Verantwortung übernehmen.“ Es muss eine Art Tanz um das böse R-Wort gewesen sein. Wobei niemand so Recht mittanzen wollte, auch nicht CDU-Finanzexpertin Eva Feußner. Etwaige Konsequenzen müssten anderswo debattiert werden. „In diesem Fall, wenn es um den Umgang der Regierung mit dem Parlament geht, ist die Regierung gefordert - insbesondere der Ministerpräsident.“

ISW profitiert von 4 Millionen Euro-Unterschrift

Im Kern der Gutachten-Affäre geht es um einen Vertrag, den das Finanzministerium unter dem damaligen Minister Jens Bullerjahn (SPD) 2013 abgeschlossen hatte - mit einer Laufzeit bis 2020, einem Volumen von über sechs Millionen Euro und vor allem: am Finanzausschuss vorbei. Felgner hatte als damaliger Staatssekretär den Vertrag mit der Investitionsbank unterzeichnet, die Bank wiederum hat Aufträge ausgeschrieben - am Ende hat das hallesche Institut ISW mit über vier Millionen Euro profitiert.

Vermerke in den Akten belegen, dass frühzeitig klar war, dass das ISW profitieren sollte. Felgner soll im Ausschuss aber betont haben, er habe erst lange nach seiner Unterschrift erfahren, dass das ISW Aufträge bekommt.

Vor der Presse räumte Felgner Versäumnisse ein. „Aus dem Blickwinkel von heute: Man hätte den Ausschuss aktiver befassen müssen. Ich hätte den Vertrag erst unterschreiben sollen, als der Haushalt beschlossen war“, so Felgner. Und: „Das war damals rechtlich möglich, aber politisch nicht klug.“

Felgners Rücktritt sei überzogen

Die Linke sieht Felgner nicht als Hauptakteur. „Es war kein System Felgner, es war ein System Bullerjahn. Felgner war ein guter Handlanger von Bullerjahn“, sagte Fraktionschef Swen Knöchel. SPD-Finanzexperte Andreas Schmidt wollte von einem Rückzug seines Parteifreundes auch nichts wissen. „Ach, Quatsch. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass es keine Strategie gab, das Parlament zu umgehen.“ Es dürfe in der Debatte über solche Verträge auch „nicht um Schuld und Vorwurf“ gehen. Wichtiger sei, klare Transparenz-Regelungen zu finden. Der Ausschuss-Vorsitzende Olaf Meister (Grüne) nahm das R-Wort zwar unerschrocken in den Mund - sagte aber: „Einen Rücktritt würde ich für überzogen halten.“ Felgner habe seine Versäumnisse eingestanden und versichert, so nicht wieder zu handeln. „Es geht in der Politik nicht immer nur um 1 oder 0, um unschuldig oder Rücktritt“, plädierte er für Differenzierung. Wichtiger sei Aufklärung.

Dazu beschloss der Ausschuss den Landesrechnungshof mit weiteren Prüfungen zu beauftragen. Der Zeitraum 2011 bis 2013 wurde schon kontrolliert, jetzt sollen die Prüfer auch für den Zeitraum bis heute nach ähnlichen Beraterverträgen suchen. Die AfD behält sich weiter vor, nötigenfalls einen Untersuchungsausschuss zu beantragen. Und Linksfraktionschef Knöchel schwante, man habe bisher nur „die Spitze des Eisbergs“ gesehen. „Das wird uns noch Jahre beschäftigen.“ (mz)