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Gesundheit Gesundheit: Infarkt im Osten öfter tödlich

Von Katrin Löwe 06.03.2008, 20:37
Behandlung eines Patienten mit akutem Herzinfarkt (Archivbild). In Sachsen-Anhalt istdie Gefahr, an einer Herzkrankheit zu sterben,um 17 Prozent höher als im Bundesdurchschnitt.(Foto: dpa)
Behandlung eines Patienten mit akutem Herzinfarkt (Archivbild). In Sachsen-Anhalt istdie Gefahr, an einer Herzkrankheit zu sterben,um 17 Prozent höher als im Bundesdurchschnitt.(Foto: dpa) ZB

Salzmünde/Lieskau/MZ. - In Sachsen-Anhalt istdie Gefahr, an einer Herzkrankheit zu sterben,um 17 Prozent höher als im Bundesdurchschnitt.Laut einer europaweiten Studie enden Herzinfarkteinsgesamt im Osten häufiger tödlich als imWesten. Ärzte erklären die Unterschiede mitVersorgungsstrukturen, aber auch mit Faktorenwie Arbeitslosigkeit oder Stress. Auf einemWorkshop im Saalekreis beschäftigten sichMediziner ab Freitag mit Herzkrankheiten.

Der Blackout kam aus heiterem Himmel. "Ich habe nie geraucht, hatte nie Übergewicht und habe immer Sport getrieben", sagt Gerhard Sprung. Lange Wanderungen und Radtouren, zweimal in der Woche schwimmen, dann Hochhaustreppen in Halle hoch und runter. Sprung ist topfit, ein Mann, den auch eine Wanderung auf Hannibals Spuren über die Alpen nicht aus dem Tritt bringt. Bis zum September 2006. Da stürzt der heute 68-Jährige bei einer Alpentour ab, fällt 20 Meter in die Tiefe, muss von der Bergrettung geborgen werden.

Sprung weiß nur: Abgerutscht ist er nicht. Auch Ärzte kommen seinem Blackout zunächst nicht auf die Spur. Bis er Anfang 2007 in seinem Heimatort Lieskau (Saalekreis) mit dem Fahrrad umkippt. Kurz darauf steht fest: Seine Herzkranzgefäße sind nicht richtig durchblutet, Sprung erhält Bypässe. Und Ärzte sagen: Weniger trainiert hätte er nicht überlebt.

In Sprungs Fall ist alles noch gut gelaufen, sagen die Kardiologen Thomas Hartkopf und Petra Schirdewahn, die in Salzmünde eine Gemeinschaftspraxis betreiben und Organisatoren eines Kongresses sind, der sich am Freitag und Sonnabend in Teutschenthal mit Herzkrankheiten beschäftigt. Sprung zeigte Symptome, die Diagnose kam dank des Projekts Integra - eine Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und dem Diakoniekrankenhaus Halle - rechtzeitig. Andere haben weniger Glück. Zwar geht bundesweit die Zahl der tödlich endenden Herz-Kreislauferkrankungen zurück, vergleichsweise sterben in Sachsen-Anhalt aber 17 Prozent mehr Menschen an Herzkrankheiten als im Durchschnitt Deutschlands. Das ist laut Studien des Hannoveraners Dr. Ernst Bruckenberger die höchste Todesrate.

Experten, unter anderem an der Charité Berlin, beschäftigen sich mit den Ursachen dafür. Für Hartkopf und Schirdewahn sind einige denkbar. Nicht nur die demographische Entwicklung beeinflusse die Statistik - junge Menschen ziehen weg, alte bleiben. Hartkopf nennt auch Folgen der Belastungen durch den Bergbau oder DDR-Chemiebetriebe wie Buna und Leuna. "Dann der Wendestress mit Arbeitslosigkeit, sozialem Stress und zerbrochenen Familien." Viele

Menschen würden ärmer, leiden häufiger an Depressionen. Sie bewegen sich zu wenig, sind übergewichtig, erkranken an Diabetes. Kurzum: eine Ansammlung der meisten Risikofaktoren. Und wer Arbeit habe, gehe aus Angst vor einem möglichen Jobverlust nicht zum Arzt, so Schirdewahn. Untermauert wird dies durch eine 2007 beendete Studie der Universität Halle, nach der 23 Prozent der untersuchten Männer und 16 Prozent der Frauen nicht wussten,dass ihr Blutdruck zum Teil deutlich erhöht war. Bluthochdruck gilt als ein Herzinfarkt-Risikofaktor.

Für Hartkopf und Schirdewahn ist die schlechte Bilanz Sachsen-Anhalts aber auch Folge des Ärztemangels. Sechs Monate warten Patienten in ihrer Praxis derzeit auf einen Termin. "Wir sind mit chronisch Kranken eigentlich ausgelastet, und es gibt Praxen, die können keine neuen Patienten mehr aufnehmen", sagt Schirdewahn. Rund 30 niedergelassene Kardiologen gebe es im Land - nötig sei das Doppelte bis Dreifache.

Wege aus der Krise erhofft sich das Kardiologen-Team auch vom zweitägigen Workshop, zu dem sich in Teutschenthal rund 200 Herzspezialisten, Internisten, Haus- und Klinikärzte treffen. Dabei sollen Hausärzte in Kursen für Notfälle, Defibrillatoren oder Herzschrittmacher mit moderner Kardiologie vertraut gemacht werden. Gemeinsam will man auch ein Problem lösen: dass Sachsen-Anhalt die höchste Sterblichkeitsrate hat, aber Herzkatheter-Labore in Kliniken als wichtiger Anlaufpunkt für Diagnose und Behandlung von Herzinfarkt oder Herzrhythmusstörungen nicht alle ausgelastet sind, wie Hartkopf sagt. "Hausärzte müssen erfahren, wann sie einen Patienten zu uns schicken sollten oder gleich in die Klinik."

Gerhard Sprung, der heute den Stress vor der Rente oder Erbanlagen als Grund für seine Erkrankung vermutet, hat sich inzwischen erholt, treibt wieder Sport. Und will erneut in die Alpen. "Ich lege die Latte nur ein Stück tiefer."