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Gesellschaft Gesellschaft: 47-Jähriger gründet sein eigenes Königreich

Von Steffen Könau 14.09.2012, 18:15

Wittenberg/MZ. - "Hier kommen die Leute dann an, wenn sie bei uns einreisen wollen", sagt der schlanke Mann mit dem kleinen Zöpfchen und winkt durch den langen, kühlen Flur. Der Gang windet sich, Peter Fitzek freut sich. Das ganze ehemalige Krankenhaus am Stadtrand von Wittenberg gehört dem gelernten Koch, ehemaligen Küchenleiter, Karatelehrer und Videothekar und seinem Verein "NeuDeutschland". "Neun Hektar", sagt Fitzek, der in der Wittenberger Innenstadt einen "Lichtzentrum" genannten Laden für fernöstlichen und "magischen" Klimbim betreibt. Wenn er nicht gerade sein künftiges Staatsgebiet inspiziert.

Alte Bäume, prächtige Backsteinbauten, saftiges Grün. Hier also soll er entstehen, der neue Staat namens "Deutschland", zu dessen Gründung per Festakt der gebürtige Hallenser dieses Wochenende nach Wittenberg eingeladen hat. Nicht ohne Echo: Zu Seminaren, bei denen der Autodidakt über "Staatsrechtliches Grundlagenwissen", alternative Heilmethoden, freie Energie und das Völkerrecht referiert, pilgerten in den vergangenen Monaten hunderte Interessierte. Und das trotz exklusiver Teilnahmegebühren.

Seit einiger Zeit empfängt Fitzek sie in einem angemieteten Komplex früherer Werkhallen. An der Wand hängen die deutschen Nationalfarben verkehrt herum. "So wie damals beim Hambacher Fest", sagt Fitzek, der seine historische Bildung gern ausstellt. Derzeit ist noch Platz für mehr Publikum. Aber Fitzek ist optimistisch: "Es werden immer mehr, die wissen wollen, was wirklich los ist."

Einige Dutzend Unterstützer hat der Staatsgründer in spe permanent um sich geschart. Sie pflegen die Internetseiten der verschiedenen Projekte. Sie sanieren die Seminar-Werkhallen. Sie werkeln emsig auf dem Krankenhausgelände. Und zeichnen Gespräche mit Journalisten auf Video auf.

Denn Peter Fitzek ist misstrauisch. Schon als Kind, sagt der 47-Jährige, habe er gespürt, dass er zu Höherem bestimmt sei. Ohne es selbst zu merken, habe er sich für den Tag ausgebildet, an dem ihn seine Aufgabe rufen würde. Fitzek las. Er trainierte. Er lernte Koch. Und Küchenmeister. Und er dachte nach über die Welt und über das Leben. "Schon in meinen Kinderbüchern ging es um Strontiumisotope", sagt er bescheiden, und unübersehbar blitzt Stolz hinter den Worten hervor. Das Bild der Realität, das heute hinter den hellwachen grauen Augen sitzt, ist zusammengesetzt aus Zahlenmystik, der festen Überzeugung, dass höhere Wesen über die Menschen wachen, einem tiefen Zorn auf den demokratischen Verfassungsstaat und dem glühenden Glauben, berufen zu sein, den Zweifelnden und den Verzweifelten den Weg in eine leuchtende Zukunft zu zeigen.

"Die Menschen glauben den Institutionen nicht mehr", diagnostiziert Fitzek. Nach Überzeugung des Staatsgründers in spe völlig zurecht, denn sein privates Studium der Staatsrechtslehre habe ihn zur Erkenntnis geführt, dass die Demokratie der Bundesrepublik zwar "das Beste ist, was wir Deutschen bislang machen konnten". Doch man könne nicht so weitermachen wie bisher, denn "sonst ist irgendwann mal wieder Köpfeeinschlagen angesagt". Ein freierer und gerechterer Staat müsse das Ziel sein, ein Gemeinwesen, das keine Zinsknechtschaft kenne. "Jetzt stehen wir ja in der Nähe eines Zusammenbruchs des Geldsystems", sagt Fitzek, der gern mit komplizierten Begriffen argumentiert.

Am Vorabend der Apokalypse arbeitet der Wittenberger, der sein Projekt gelegentlich und gar nicht zufällig eine "Reformation" nennt, am Ausstieg aus dem Staat, der ihm untersagt hat, seine eigene Bank, seine eigene Krankenkasse und seine eigene Versicherung zu eröffnen und eigenes Geld herauszugeben. "Wir gründen Deutschland neu", sagt Fitzek, in dessen Vorstellungswelt die Bundesrepublik nicht Deutschland ist.

Deshalb hat Fitzek das alte Krankenhausgelände gekauft. Deshalb wirbt er im Internet um Unterstützer. Deshalb kommen aller paar Wochen Leute aus ganz Europa nach Wittenberg, um ihm zuzuhören. Peter Fitzek schwärmt dann von einer Welt ohne Zinsen, einer Welt, in der nur wählen darf, wer nachgewiesen hat, dass er genug Wissen hat, Entscheidungen verantworten zu können. Der wortgewandte Staatsmann verantwortet seine gern, auch wenn sie ihn mit dem Gesetz oder den Institutionen des Staates in Konflikt bringen. Mehrfach hat er vor Gericht gestanden, aber zumindest seinem eigenen Empfinden nach ist er immer siegreich gewesen. Ein Optimist, den die Realität nicht irritieren kann. "Ich bin sicher, dass wir noch zu unseren Lebzeiten eine bessere Welt erleben", sagt er, "denn ich werde diese bessere Welt hinstellen."

Neun Hektar Krankenhaus sollen das Staatsgebiet werden, Fitzek selbst wird sich hinsetzen und eine Verfassung schreiben. "Wer Staatsbürger werden will, muss der Verfassung zustimmen", beschreibt er. "Dann bekommt er seinen Pass von uns." Zuvor gilt es nur noch, das eigene Grundstück per Schenkung in den neuen Staat einzubringen. "Man behält natürlich lebenslanges Wohnrecht", versichert Fitzek.

Ursprünglich hat er eine Demokratie im Sinn gehabt. Zumindest, wer den Nachweis erbracht hatte, dass er entscheiden kann, sollte mitentscheiden dürfen. Doch nun, kurz bevor der neue Zwergstaat mitten in Deutschland schlüpft, heißt es Kommando zurück.

"Aufgrund der fehlenden Menschenzahl und kompetenter Ratsmitglieder, einem noch fehlenden Wahlgesetz, fehlender Wahlberechtigter, wählbarer Minister und noch anderer Erfordernisse kann es nun leider keine basisdemokratische Räterepublik in Verbindung mit einer konstitutionellen Monarchie mehr werden", ließ Fitzek seine 3 000 eingetragenen Getreuen wissen. Statt einer Demokratie werde daher nun eine "lupenreine Monarchie" gegründet.

Als König braucht es da natürlich erstmal "einen freien, kompetenten und mutigen Verantwortungsträger", der den "erneuerten freien Staat Deutschland" als "wahrer Souverän" führe. Wer jener Souverän werden wird, steht noch nicht fest. Denkbar aber wäre, dass Peter Fitzek sich bereit erklärt, die schwere Last zu schultern. Der Mensch müsse nun mal lernen, sich in ein größeres Ganzes einzufügen, sagt er. Und Peter Fitzek wird ihm helfen, das dazu notwendige Bewusstsein zu erlangen. Leute von der Bundesbank, die ihn wegen seines Engelgeldes besuchten, hätten ihm mal gesagt: "Herr Fitzek, Sie werden die Gier im Menschen nicht abschaffen." Peter Fitzek strahlt heute noch über diese wunderbare Vorlage: "Da habe ich geantwortet, wenn man andere Rahmenbedingungen setzt, kann man ihnen auch die Gier nehmen."

Der Erfinder von "NeuDeutschland" fühlt sich von einer Welle getragen, auch wenn sie leider bis heute nicht so hoch schwappen will, wie er anfangs hoffte. Vorwürfe, er amtiere wie ein Guru und verstoße gegen geltendes Recht, lässt er mit einem Lächeln ins Leere laufen. "Bisher habe ich immer gewonnen", behauptet er selbstbewusst.

Fitzek glaubt an seine Idee eines Staates ohne Steuern, regiert von selbstlosen Weisen wie ihm selbst. Gerät er an den Rand der Erklärmuster, die er fertig abgespeichert im Kopf trägt, wechselt er das Thema, ebenso, wenn es um die Frage der Legitimität der derzeitigen Verfassungsordnung geht.

Fitzek schwärmt dann lieber von seinem Eingliederungsexperiment mit jungen entwurzelten Menschen, das ihm "immer wieder Optimismus" gebe. Von Nullenergiehäusern und Pyrolyseanlagen, die sie bauen wollen. Oder er zitiert namenlose Sympathisanten, die ihm Geld und Silber geben, um sein gutes Werk zu unterstützen und den Kleinstaat im Krankenhaus lebensfähig zu machen. "Überall sitzen Leute, die sehen, dass das System nicht mehr lange hält." Neulich etwa sei er in Paraguay gewesen, um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vorzubereiten. Auch Kasachstan habe bereits Interesse angemeldet.

Peter Fitzek glaubt augenscheinlich an das, was er sagt. Ein Missionar, der in seiner eigenen Welt lebt. Bürger der Bundesrepublik müssten kein Visum beantragen, wenn sie dereinst nach Deutschland einreisen wollen, tröstet er, angekommen am Südwesttor des Krankenhausgeländes, dem künftigen Grenzübergang, der das bundesrepublikanische Gestern künftig vom monarchischen Morgen trennen wird. Peter Fitzek lacht dabei nicht. Nein, er lächelt nicht mal.