Georg-Cantor-Gymnasium Halle Georg-Cantor-Gymnasium Halle: Reden mit dem rot-gelben Ball
Halle/MZ. - "Jetzt wirst Du fertig gemacht",kündigt Anne Eberhardt ihrem Gegenüber an.Doch gleich darauf beruhigt sie ihren MitschülerFrank Kretschmann, das sei nur ein Spaß gewesen.In knappen Sätzen schildert die Schülerindes halleschen Georg-Cantor-Gymnasiums dann,welchen Eindruck Frank auf sie während derProjektwoche mit dem Titel "Kommunikationstraining"auf sie gemacht habe. Beeindruckt habe sie,dass ihr Mitschüler bei vielen Themen mitredenkonnte, alles Hand und Fuß hatte. Wünschenswertfür sie wäre, dass Frank sich noch stärkerin die Gruppe einbringen würde.
Während die Gymnasiastin redet, hält sie einengelb-roten Ball in ihren Händen, den sie drehtund drückt beim Suchen nach passenden Worten.Der so genannte Redeball hat die Schüler diegesamte Woche begleitet. Wer ihn hat, darfsprechen und mit dem Wurf entscheiden, werals nächster das Wort nehmen kann. "Der Ballsoll beruhigen, Halt geben und das freie Sprechenerleichtern", erklärt Michael Fuß. Er hatdas Projekt angeschoben, ist dafür aus Hannoverin seine Heimatstadt und an seine ehemaligeSchule gekommen. Die Idee dafür kam dem 27-Jährigenvor zwei Jahren.
Bei einem Treffen ehemaliger Cantor-Schülerwurde auch er gefragt, ob er denn nicht ausseinen Berufserfahrungen ein interessantesProjekt an der Schule gestalten könnte. Fuß,der ursprünglich Geografie studiert hat unddann auf Soziologie umgestiegen ist, arbeitetinzwischen als Kommunikationstrainer und schultMitarbeiter von Wirtschaftsunternehmen undim Bildungsbereich in der "Kunst des sozialenMiteinanders". Dazu gehört Teamentwicklung,miteinander zu reden, zuhören können, Gewaltvorzubeugen, sein Gegenüber zu akzeptierenund sicher aufzutreten. "Aus eigener Erfahrungweiß ich, dass über solche Themen im Unterrichtkaum geredet wird", begründet Fuß, weshalber das Projekt seinem Gymnasium angebotenhat, in dem mathematisch-naturwissenschaftlicherund technischer Unterricht für begabte Schülerden Stundenplan dominiert.
"Vielleicht", meint Sandra Zschach, "war dasInteresse an dem Thema so groß, weil bei unssonst fast alles mit Chemie zu tun hat". Undso beteiligten sich von den 200 Cantorianernschon im März 28 Mädchen und Jungen an zweiKursen. Neun entschieden sich für den Juli-Kursmit Michael Fuß, obwohl keiner so richtigwußte, was in der Woche so abläuft.
Am aufregendsten für Erik Pfannmöller wardas Improvisieren einer Fernsehmoderation."Unglaublich, wie lang zwei Minuten sein könnenund was einem alles durch den Kopf geht, wennman im Scheinwerferlicht vor einer laufendenKamera sitzt und aus dem Nichts die Zeit überbrückenmuss." Erik hat sich für die Projektwocheextra ein Lerntagebuch angelegt und aufgeschrieben,was ihm von den täglichen sechs Stunden inder Gruppe wichtig war. "Ich werde das bestimmtirgendwann wieder hervor holen, denn da warenviele Anregungen und Verhaltenstips dabei,die ich auch später beim Studium und im Berufnutzen kann."
Zustimmend nicken alle, als in der Rundeangeregt wird, "so eine Kommunikationsschulungwäre auch was für unsere Lehrer". Danach würdees manchem leichter fallen, sich auch malvom Unterrichtsstoff zu lösen und nicht nurüber fachliches mit Schülern zu reden. "Leider",bedauert Sandra, "kommen Diskussionen übersoziale Probleme viel zu kurz". Bei FrankMeitzner, der am Cantor-Gymnasium Psychologieunterrichtet und das Kommunikationsprojektunterstützt hat, finden die Schüler sofortoffenen Ohren. Ein Lehrer-Kurs mit MichaelFuß als Trainer sei im nächsten Schuljahrvorgesehen und das Interesse an der "Kunstdes sozialen Miteinanders" und den Rundenmit dem Redeball sei bei seinen Kolleginnenund Kollegen genau so groß wie bei den Schülern.