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Gartenbau Gartenbau: Feinschmecker in Gewächshäusern Erfurts

Von Annett Gehler 28.08.2006, 18:51
Die Kakteen werden in einem Gewächshaus im Gartenbauunternehmen Kakteen-Haage in Erfurt von Gartenbauingenieurin Amrey Haage gepflegt. (Foto: dpa)
Die Kakteen werden in einem Gewächshaus im Gartenbauunternehmen Kakteen-Haage in Erfurt von Gartenbauingenieurin Amrey Haage gepflegt. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Erfurt/dpa. - Dicht an dichtdrängen sich die stacheligen Gesellen in der ältesten KakteenzuchtEuropas, die Ulrich Haage in nunmehr sechster Generation betreibt. In

der Gärtnerei werden nicht nur Sammler und Liebhaber auf der Suchenach neuen Raritäten fündig, auch Gourmets kommen dort auf denGeschmack.

«Die Kakteenzucht ist eine Nische», sagt Haage. Der 36-Jährigeübernahm nach Studium und Wanderjahren durch Gärtnereien inDeutschland, Belgien und Guatemala vor zehn Jahren den väterlichenBetrieb. Die Übergabe vom Vater auf den Sohn hat in der FamilieTradition - und das von Anbeginn an. Den Grundstein für dieKakteenzucht legte im Jahr 1822 Friedrich Adolph Haage mit einemSteckling der «Königin der Nacht», die er vom sächsischen Hofegeschenkt bekam.

«Kakteen waren zu dieser Zeit sehr wertvoll und ein Superluxus,den sich nur sehr reiche Familien leisten konnten», erzählt Haage.Heute sind die Pflanzen längst erschwinglich und schmücken vieleFensterbänke und Gärten, dennoch greifen Kakteen-Liebhaber fürseltene Exemplare auch tiefer in die Tasche. «Der teuerste Kaktus,den wir bislang verkauft haben, war mehr als 100 Jahre alt, knappdrei Meter hoch und hat 12 000 Euro gekostet.» Unverkäuflich isthingegen der älteste Kaktus in Erfurt, der mit seinen 190 Jahrensogar älter als die Firma selbst ist.

Das Stammklientel der Gärtnerei - die einst schon Johann Wolfgangvon Goethe, Franz Liszt und die Brüder Wilhelm und Alexander vonHumboldt zu schätzen wussten - sind heute meist Sammler aus demeuropäischen Raum. Aber auch in Chile, Thailand und Japan hatKakteen-Haage Kunden. «Viel läuft übers Internet», berichtet derZüchter. Die rund zehn Mitarbeiter erwirtschaften rund eine halbeMillion Umsatz im Jahr. «Wir schreiben schwarze Zahlen, das ist heuteschon nicht selbstverständlich», meint Haage.

Einen besonderen Leckerbissen bietet die Kakteenzucht fürFeinschmecker: An zwei Wochenenden im Sommer wird in einem derGewächshäuser eine festliche Tafel für rund 80 Gäste gedeckt und zumDinner geladen. Auf den Tisch kommen dann etwa Seeteufel aufKaktusblättersauce, Kaktus-Spargel-Gemüse oder Kaktuseis. Beimdiesjährigen zehnten Kakteenessen gingen die Gäste in fünf Gängen aufkulinarische Reise durch Thüringen - mit veredelten Thüringer Klößenund Original Thüringer Kaktusbratwurst. «Die Nachfrage ist im Laufeder Jahre allein durch Mundpropaganda enorm gestiegen», berichtetHaage, der inzwischen auch ein Kakteen-Kochbuch auf den Marktgebracht hat.

In Erfurt werden zwar Pflanzen vermehrt und ausgesät, aber keineneuen Arten gezüchtet. «Das wäre enorm aufwendig», sagt Haage. Sehrseltene Kakteen kauft die Gärtnerei etwa auf den Kanaren, in Thailandoder Amerika ein. Nach Angaben des Zentralverbandes Gartenbau gibt esin Deutschland rund 80 000 gärtnerische Produktionsbetriebe mit180 000 Hektar Nutzfläche und 400 000 Beschäftigten. Schätzungenzufolge gibt es bundesweit aber nur etwa 14 größere Kakteen-Gärtnereien. «Für die Kakteenzucht braucht es ein sehr speziellesWissen», sagt Haage. Zudem seien etwa im Vergleich zu Rosenzüchterndie Produktzyklen länger. Von der Aussaat bis zum Verkauf einesKaktus vergehen mindestens drei Jahre, und so braucht einKakteenzüchter wie Haage vor allem eins: Geduld.