Forscher aus Gatersleben Forscher aus Gatersleben: Genbank-Chef erhält Innovationspreis
Berlin/Gatersleben/MZ - Der Leiter der Pflanzen-Genbankam Leibnitz-Institut in Gatersleben, AndreasGraner, hat den erstmals verliehenen Innovationspreisder Gregor-Mendel-Stiftung erhalten. Der 47-Jährige,der seit 1997 in Sachsen-Anhalt wirkt, habemit seiner Arbeit an einer der weltweit größtenEinrichtungen dieser Art wichtige Grundlagenzur Züchtung besserer Nutzpflanzen geschaffen,hieß es in der Begründung der Jury.
Auf der Deutschlands Arche Noah herrscht ewiger Winter. 20 Grad minus mitten im sonnigen Herbst, mitten in Sachsen-Anhalt. Wenn Andreas Graner an seinen Arbeitsplatz geht, muss er eine dicke Jacke überziehen. Die rund 145 000 Genproben, die das Institut für Pflanzengenetik Gatersleben (IPK) im Kreis Aschersleben-Staßfurt über Jahre zusammengetragen hat, werden kühl gelagert, um zu überdauern. Kartoffelsaatgut zum Beispiel bei 197 Grad unter Null: "Das hält bis in alle Ewigkeit", sagt Graner.
Es sind seltsame Kostbarkeiten, die für die größte deutsche Gen-Datenbank in endlosen Reihen von Schraubgläsern zusammengetragen wurden. Getreidesamen und Kräuter, Gräser und Ölpflanzen werden von den rund 450 IPK-Forschern gezüchtet und vermehrt, Gen-Bilder minutiös kartiert, die Baupläne der Natur entschlüsselt. Gatersleben ist ein Jurassic Park der Pflanzen: Für die globalen Anstrengungen, Pflanzen vor genetischer Erosion zu bewahren, ist das Örtchen in der Mitte Sachsen-Anhalts weltweit Anlaufstelle Nr. 1.
Und Andreas Graner, 47 Jahre alt und aus Bayern nach Gatersleben gekommen, ist der Chef-Geograph im Gen-Kühlschrank, der früher vor allem dazu diente, Samenproben für die Nachwelt zu bewahren. Die Sammlung pflanzengenetischer Ressourcen umfasst rund 150 000 Muster aus 2 707 botanischen Arten. Allein in diesem Jahr gab es 597 Anfragen aus aller Welt, 12 026 Saatgut-Proben wurden seit Januar in 44 Länder versandt. Damit stieg die Zahl der seit 1953 verschickten Muster auf sagenhafte 691 956 Muster.
Inzwischen aber hat sich der Schwerpunkt verschoben. Längst sind die Wissenschaftler im Kampf gegen Viren und Schädlinge in die Offensive gegangen - zum Beispiel gegen die gefürchteten Gelbmosaikviren, die regelmäßig die Wintergerste in ganz Europa befallen. "Jeder gerstenanbauende Landwirt hat mit den Viren zu kämpfen", beschreibt Graner.
Bislang gibt es dagegen kein Gegenmittel. Die einzige Lösung sei die Zucht von widerstandsfähigen Gerstensorten - doch um die zu finden, müssten die Pflanzen Widerstandsgene enthalten. "Mit Hilfe der Genomforschung können diese Gene heute in kürzerer Zeit gefunden werden", meint Graner.
Graners Verdienst ist es, dass er die gezielte Erforschung von Erbinformationen zum Arbeitsschwerpunkt der Genbank gemacht hat. Grund genug für Klaus Töpfer, den Direktor des Uno-Umweltprogramms, nach Berlin zu kommen und Graner den erstmals verliehenen und mit 10 000 Euro dotierten Innovationspreis der Gregor-Mendel-Stiftung zu überreichen. "Diese Auszeichnung war überfällig", sagte der einstige Umweltminister. "Gerade in einer Zeit, da 800 Millionen Menschen Hunger leiden, ist die Arbeit Graners nicht nur auszeichnungswürdig, sondern auch auszeichnungsbedürftig."
Graner, ein großer, hagerer Mann, bleibt dennoch bescheiden und zurückhaltend: "Die Auszeichnung hat das gesamte Institut verdient." Erst die hervorragenden Bedingungen in Gatersleben und die engagierten Kollegen in Sachsen-Anhalt ermöglichten die Erfolge. Hier fühlt sich der Forscher, der 1997 ans IPK wechselte, denn auch sehr wohl. "Nach Bayern, wo ich früher war, zieht es mich nicht mehr - höchstens im Urlaub."