Flughafen Leipzig/Halle Flughafen Leipzig/Halle: Kann ein Wald gegen Lärm helfen?

Kabelsketal/Schkeuditz - Kabelsketal, 8.800 Einwohner, Sachsen-Anhalt. Schkeuditz, 17.100 Einwohner, Sachsen. Die beiden Orte dies- und jenseits der Landesgrenze dürften zu den am besten erschlossenen im Großraum Halle/Leipzig gehören. Und zu den lautesten: Zwei Autobahnen, A 9 und A 14, eine Bundesstraße, die B 6, die S-Bahn-Strecke Halle-Leipzig und natürlich der Flughafen: willkommen im Lärmzentrum.
Anwohner beider Kommunen klagen seit Jahren über Lärm, aus der Luft, von Straße und Schiene. In einem besonders belasteten Gebiet in Sachsen sollen nun Bäume und Sträucher für Abhilfe sorgen. Ein ganzer Wald soll entstehen, dort wo jetzt noch Ackerland ist, 28 Hektar groß, das sind 17 Fußballfelder. Traubeneiche, Winterlinde, Hainbuche, Feldahorn, Vogelkirsche und Eberesche, dazu Koniferen-Hecken, sie alle sollen dort heimisch werden und den Schkeuditzer Ortsteil Papitz südlich des DHL-Geländes, der B 6 und der Bahnstrecke vor Krach schützen. Auch Waldwege sind geplant. Damit man dort auch mal spazieren gehen kann, später, wenn die Bäume gewachsen sind. Wann? „Das ist ein Generationenprojekt“, antwortet Uwe Schuhart, Sprecher des Flughafens Leipzig/Halle, der das Projekt finanziert. Kostenpunkt: 670.000 Euro. Jetzt wurden die ersten jungen Bäume in die Erde gebracht.
In Papitz kommt viel zusammen - der nächtliche Frachtbetrieb bei DHL, wo Flugzeuge starten und landen, be- und entladen werden; die Straße; die Schienen, auf denen nicht nur vergleichsweise leise S-Bahnen, sondern auch laute Güterzüge rollen. Wegen dieser enormen Belastung hatte die Fluglärmkommission, in der Kommunen, Fluggesellschaften, Behörden und Bürger-Vertreter sitzen, die Aufforstung empfohlen. „Es geht langfristig um eine Minderung des Bodenlärms“, sagt Schuhart.
Kann ein Wald Lärm dämmen?
Was bringen die Bäume und Sträucher? „Ein Wald kann schalldämpfend wirken“, sagt Uwe Wollmann. Der Lärmschutz-Referent im sächsischen Landesamt für Umwelt hat das Projekt begleitet und dazu geforscht, gemeinsam mit Wissenschaftlern der TU Dresden und Ingenieuren. Das Ergebnis: Die Wirkung wird nur unter bestimmten Bedingungen erzielt. So müsse das Waldstück zwischen 100 und 200 Metern breit sein, erläutert Wollmann, die Lärmquelle müsse in der Nähe stehen. Im Versuch wurde der Schall so durchschnittlich um 19 Dezibel (A) gesenkt. „Das wird als eine Halbierung des Lärms wahrgenommen“, erläutert der Experte.
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Er und seine Kollegen spielten verschiedene Szenarien durch - Laubwald und Nadelwald, Sommer und Winter. Die Ergebnisse blieben annähernd gleich. Allerdings: Ab einem Abstand von 400 Metern vom Versuchswald entfernt ließ der schalldämpfende Effekt nach.
Wieviel Lärm der Wald in Schkeuditz tatsächlich schlucken wird, muss sich erst zeigen. Deutliche Effekte erwartet Wollmann für die B 6 und die Bahnstrecke. Sie liegen direkt neben dem künftigen Waldstück, so dass man Autos und Züge tatsächlich leiser wahrnehmen werde. Ob das auch für den Frachtbetrieb am Airport gilt? Da mag Wollmann sich nicht festlegen. Es sei möglich, dass der künftige Wald vom DHL-Gelände als Lärmquelle zu weit entfernt sei, um seine volle schalldämpfende Wirkung entfalten zu können.
Kritiker wie Michael Teske bewerten das Projekt denn auch skeptisch. „Für einige Anwohner in Schkeuditz wird das sicher eine Entlastung bringen, mehr aber auch nicht“, meint der Vorsitzende der Interessengemeinschaft Nachtflugverbot Halle/Leipzig. Wichtiger sei es nach wie vor, Starts und Landungen - und damit die Lärmbelastung für umliegende Kommunen - gleichmäßig auf die Nord- und die Südbahn zu verteilen. Die Initiative fordert das seit Jahren, bisher vergeblich. DHL nutzt überwiegend die südliche Piste, in deren Nähe das Frachtzentrum steht.
Auch Alf Salomon reagiert zurückhaltend. „Von Aufforstungen darf man keine Wunder erwarten“, sagt der stellvertretende Bürgermeister in Kabelsketal. Die Gemeinde mit ihren Ortsteilen Gröbers, Großkugel, Dieskau und Dölbau ist stark von an- und abfliegenden Flugzeugen betroffen. „Bei Lärm aus der Luft hilft kein Wald“, sagt Salomon. Auch die Möglichkeiten, Straßen und Schienen mit Anpflanzungen abzuschirmen, seien im Gemeindegebiet so gut wie ausgeschöpft.
Trotzdem ist Salomon alles andere als zufrieden. Beispiel Bahn: Die Lärmschutzwände entlang der S-Bahn- und Güterzugstrecke seien zum Teil so ungünstig platziert, dass der Lärm in die Dörfer hineingetragen werde. Beklagt hat die Kommune das schon vor fünf Jahren, geändert habe sich seitdem nichts, sagt der Vize-Bürgermeister. Was die Menschen aber wirklich auf die Palme bringe, das seien nicht Fluglärm und auch nicht Bahnlärm: „Das sind die Lastwagen, die hier durch die Straßen donnern.“ Etwa auf der B 6, mitten durch Gröbers und Großkugel. Auf eine Umgehungsstraße warten sie hier seit Jahren vergeblich. (mz)
