1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Flughafen: Flughafen: Hochfliegende Pläne - Von Cochstedt ans Mittelmeer

Flughafen Flughafen: Hochfliegende Pläne - Von Cochstedt ans Mittelmeer

Von HENDRIK KRANERT-RYDZY UND STEFFEN HÖHNE 21.07.2010, 20:10

COCHSTEDT/MZ/HK/STH. - Auf diesen Moment hatNorbert Henze zehn Jahre gewartet: SiebenMinuten nach elf schwebt Mittwochvormittagdie erste reguläre Maschine auf dem FlughafenCochstedt (Salzlandkreis) ein. Zuvor hatteHenze, Chef der Flughafenfeuerwehr, immermal nur die eine oder andere Maschine eskortierendürfen, die per Sondergenehmigung in Cochstedtlandete. Darin saßen dann durchaus auch prominenteGäste - wie die Spieler des FC Bayern odervon Werder Bremen oder Michael Schumacher.An einen regulären Flugbetrieb aber war niezu denken.

200000 Fluggäste bis 2012

Nun soll sich das ändern: Nachdem derFlughafen 2002 in die Pleite schlitterte undseither etliche Bemühungen des Landes scheiterten,ihn an einen Investoren zu verkaufen, gehörtder einstige russische Fliegerhorst seit Februarder dänischen Airport Development A/S. Unddie hat ambitionierte Pläne, wie EigentümerPeter Sølbeck am Mittwoch erneut bekräftigte."Wir wollen hier auf drei Beinen stehen",sagte Sølbeck, der als erster offiziellerFluggast in Cochstedt mit seiner Privatmaschinegelandet war. Neben dem Frachtflugbetriebund der Ausbildung von Flugpersonal setztSølbeck zuallererst auf den Passagierbetrieb.

Ab Herbst sollen die ersten Chartermaschinenin Cochstedt landen. Sicher ist jetzt, dassHamburg International künftig von der Bördezwei- bis dreimal pro Woche in Richtung Mittelmeerzu den "touristischen Rennstrecken" startenwird, wie Sølbecks Verhandlungsführer EckartBucher sagte. "Eine zweite Gesellschaft istebenfalls sicher, mit einer dritten stehenwir vor Abschluss der Verhandlungen", so Bucher,wollte aber noch keine Namen oder Zielflughäfennennen. Letzteres hänge noch mit der Änderungvon Flugplänen zusammen, die sich durch dieÜbernahme von Öger Tours durch Thomas Cookergeben hätte, erklärte Bucher. Ab dem Sommerflugplan2011, also mit Beginn der Osterferien, sollendann alle drei Gesellschaften Charterflügevon Cochstedt aus anbieten. Weitere Airlinesund auch skandinavische oder innerdeutscheZiele wollte Bucher dann nicht ausschließen."Wir verhandeln mit allen großen Gesellschaftenam Markt", sagte er.

Um die dann hoffentlich zahlreichen Passagiereabfertigen zu können, soll bis Oktober dasbestehende Terminal erweitert werden. Zunächstprovisorisch mit einem Industriezelt, in dem400 Fluggäste gleichzeitig abgefertigt werdenkönnen. Eine Million Euro lassen die Dänensich dies kosten, 650000 Euro wurden bereitsin neue Technik investiert. Das Personal sollbis Oktober ebenfalls auf 30 Mitarbeiter aufgestocktwerden. Läuft alles nach Plan, hat Bucherdas Ziel ausgegeben, Ende 2011 auf 200000Fluggäste pro Jahr zu kommen und damit schwarzeZahlen schreiben zu können.

Luftfahrtexperte Cord Schellenberg ist dagegenskeptisch, dass sich Cochstedt etablierenkann. "Was ich bisher gehört habe, überzeugtmich nicht", so Schellenberg. "Man hat dasGefühl, jede Region hätte gerne ihren eigenenFlughafen." Nach Ansicht von Schellenberggibt es zu viele Flughäfen in Mitteldeutschland."Und es ist sehr schwierig, einen neuen Flugplatzzu etablieren." Die Zersplitterung schadezudem den beiden großen Flughäfen Leipzig/Halleund Dresden. Ohnehin stagnieren seit Jahrendie Passagierzahlen in Leipzig/Halle (2,4Millionen Passagiere 2009) und Dresden (1,8Millionen). Der Flughafen Erfurt verbuchtesogar einen kräftigen Fluggäste-Rückgang -von 355000 im Jahr 2006 auf rund 270000im Jahr 2009.

Altenburg bangt um London

Deutlich zulegen konnte in den vergangenenJahren lediglich der Flugplatz Altenburg (140765Passagiere 2009). Doch dieser bangt derzeitum seine wichtigste Verbindung nach London-Stansted.Die Billigfluglinie Ryanair ordnet derzeitihr Streckennetz neu. "Wir sind in der Feinabstimmung",so Ryanair-Sprecherin Henrike Schmidt. Siekönne nicht sagen, ob Ryanair ab Herbst nochvon Altenburg aus nach London-Stansted fliege.Bisher sei man mit der Verbindung und derAuslastung jedoch zufrieden gewesen.

Auch wenn es nicht offen ausgesprochen wird,die neue Konkurrenz aus Cochstedt wird argwöhnischbeobachtet. "Eine Betriebsfreigabe bedeutetnoch lange nicht, dass ein Flughafen vom Marktangenommen wird", sagte der Sprecher der MitteldeutschenFlughafen AG, Felix Zimmermann. "Cochstedtist in der Mitte von Nichts." Sachsen-AnhaltsWirtschaftsminister Reiner Haseloff (CDU)reagierte ungehalten auf diese Attacke derFlughafen AG, an der Sachsen-Anhalt selbstbeteiligt ist. Das Land hatte lange versucht,auch Cochstedt in die Flughafen AG, zu derdie Airport Leipzig/Halle und Dresden gehören,einzubringen. Dies scheiterte allerdings amWiderstand von Sachsen. Der Freistaat siehtfür die Konkurrenz in Cochstedt kein Potenzial.

Erfurt zeigt sich derweil gelassen: "Cochstedtist für uns keine Konkurrenz", sagte FlughafenchefMatthias Köhn. "Es wird sich zeigen, wie vieleFlughäfen eine Region wie Mitteldeutschlandbenötigt." Der Thüringer Flughafen hat zuletztauch bewiesen, dass man mit neuen Flugzielenschnell Erfolg haben kann. Eine Charterflug-Gesellschaftfliegt seit kurzem an den Balaton (Ungarn).Köhn: "Innerhalb kurzer Zeit waren die Flügeausgebucht." Dies dürften auch die Managerin Cochstedt aufmerksam verfolgen.