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Flüchtlinge Flüchtlinge: «Es ist unerträglich»

Von ANTONIE STÄDTER 26.11.2009, 20:22

HARBKE/MZ. - In zwei Häusern leben rund 150 Menschen, viele andere Gebäude stehen leer. Hussein Mohammed Rasul (23) aus dem Irak ist in dem Heim seit sechs Jahren zu Hause. Er sagt: "Es ist unerträglich."

Nächster Ort vier Kilometer entfernt

Rund vier Kilometer entfernt von der nächsten Ortschaft zu leben, sei nicht leicht - ohne Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte, Freizeiteinrichtungen. "Nur ganz wenige Busse fahren hier täglich ab", sagt er. Was ihn jedoch noch mehr beschäftigt: Mehrfach wurden die Bewohner von Rechtsradikalen bedroht. Erst vor drei Wochen wurden Hakenkreuze an mehrere Häuser geschmiert. "Ich fühle mich nie sicher hier", sagt der junge Mann.

Am Freitag wollen sich mehrere Behördenvertreter ein Bild von der Sicherheitssituation in dem abgelegenen Heim machen. "Ich habe große Sorgen, ob die Bewohner dort sicher untergebracht sind", sagt Sachsen-Anhalts Integrationsbeauftragte Susi Möbbeck, die bei der Besichtigung dabei sein wird. Möglicherweise müsse nach Alternativen gesucht werden. Am Mittwoch hatte das Sozialamt des Kreises entschieden, dass Familien - unabhängig davon, ob sie Bleiberecht haben - nicht mehr in der Gemeinschaftsunterkunft leben sollen. Sie sollen laut Sozialdezernent Joachim Hoeft demnächst in Wohnungen untergebracht werden. Das Asylbewerberheim steht derzeit im Fokus der Behörden, weil ein Schimmelbefall in mehreren Wohnräumen bekannt geworden war.

Die Sozialamtsleiterin des Kreises, Marlis Lüder, hatte sich bei einer Begehung entsetzt über die hygienischen Zustände in den Zimmern gezeigt und den privaten Betreiber aufgefordert, diese sofort zu räumen. Auch sie war in die Kritik geraten, weil sie zunächst alle Vorwürfe zurückgewiesen hatte. Der Vor-Ort-Termin war zustande gekommen, weil eine Ärztin über die Missstände informiert hatte. Bereits vor Monaten hatten die Behörden in den Gebäuden Mängel festgestellt und Auflagen erteilt.

Inwiefern es auch eine andere Lösung für die in dem Heim lebenden Einzelpersonen geben werde, ist laut Hoeft noch völlig unklar. Es gebe auch Bewohner, die mit der Unterbringung zufrieden sind. Man werde zudem prüfen, ob der Betreiber die Vertragsbedingungen erfüllt hat. Ihm liege eine dreiseitige Stellungnahme vor, sagt er. Betreiber Wolfram Herre betont, dass er erst vor wenigen Tagen von dem Schimmelbefall erfahren habe. Bei einer Kontrolle vor zwei Monaten sei dieser nicht festgestellt worden. Es bleibe nicht aus, dass so etwas auftritt. So hätten die betroffenen Bewohner in ihren Zimmern auch gekocht und Wäsche getrocknet - obwohl es Wasch-Service und Gemeinschaftsküche gebe. Nun werden die Räume mit einem speziellen Mittel behandelt und renoviert, so Herre.

"Ich bin schon immer der Meinung, dass Familien mit Kindern in Gemeinschaftsunterkünften nichts zu suchen haben", so Möbbeck. Bereits seit 2008 besteht eine Empfehlung des Landesinnenministeriums an die Kreise, Flüchtlingsfamilien in Wohnungen unterzubringen. Auch grundsätzlich seien die Heime meist nur für einen kurzfristigen Aufenthalt geeignet, da sie oftmals mehrfach belegten Zimmern und den gemeinsam genutzten Toiletten oder Küchen "keine normalen Lebensbedingungen" darstellten, sagt Möbbeck. Landesweit gebe es 16 solcher Unterkünfte mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen.

Opferberatung fordert Schließung

Die mobile Opferberatung fordert die Schließung des Heims in Harbke. Die Sicherheitslage dort sei "katastrophal", sagt Sprecherin Antje Arndt und verweist auf die Bedrohungen von Rechtsradikalen. Selvije Rexhepi aus dem Kosovo zeigt sich erleichtert darüber, dass sie mit ihrem Mann und den drei Kindern bald in eine Wohnung umziehen wird.