Fehldeutung Fehldeutung: Wirbel um Notlüge aus DDR-Zeiten
Halle/MZ. - Das hatte sich Corinna Grabner, Vorsitzende des Vereins für Friedhofskultur, so schön ausgemalt: Als am Rande eines Festes auf dem Stadtgottesacker die Nachricht die Runde machte, dass auf dem Friedhof die Großeltern von Königin Silvia die letzte Ruhe gefunden haben sollen, regte Grabner sogleich an, Ihre Majestät doch einmal an die Saale einzuladen. Auch Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados (SPD) soll von der Idee begeistert gewesen sein.
Ausgerechnet der Historiker Walter Müller, der im Friedhofskultur-Verein Vizechef ist, musste der Euphorie allerdings jäh wieder ein Ende bereiten. Nach seinen Recherchen beruhe die angebliche Verbindung zwischen dem Stadtgottesacker und dem schwedischen Königshaus auf einem Trick gewitzter Angehöriger der in Halle beerdigten Familie von Theo (1869-1940) und Frida Sommerlad (1877-1947).
Zwei Vettern hätten die Namens-Ähnlichkeit zur aus Deutschland stammenden Königin - sie ist eine geborene Sommerlath - zu DDR-Zeiten ausgenutzt, um das beschädigte Grab auf Vordermann bringen zu lassen. "Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre wurde Königin Silvia zu einem Besuch in der DDR erwartet", berichtet Müller. "Die Vettern der Sommerlads haben die Stadtverwaltung darauf hingewiesen, dass sich die Königin auch das Grab ihrer angeblichen Verwandten in Halle anschauen könnte. Kurz darauf war das Grab wieder in Ordnung."
Der Stadtgottesacker in Halle mit seinen markanten Grabbögen wurde vor 450 Jahren angelegt. Zu DDR-Zeiten völlig vernachlässigt, wurde er nach der Wende mit Millionenaufwand restauriert.
Die angebliche Verbindung zur schwedischen Königin war am vergangenen Wochenende am Rande einer Vortragsveranstaltung auf dem Stadtgottesacker ins Spiel gebracht worden. Auslöser waren offenbar auch Berichte, wonach die schwedische Botschaft in den 90er Jahren Blumen am Sommerlad-Grab niedergelegt haben soll. In der Botschaft in Berlin wollte man dies nicht bestätigen.
Laut Müller gibt es keine Hinweise auf eine Verbindung zwischen den Familien Sommerlad und Sommerlath. Auch eine Namens-Änderung, die eine entfernte Verwandtschaft möglich erscheinen lassen könnte, scheide aus. Der auf dem Stadtgottesacker beerdigte Theo Sommerlad war Honorarprofessor für Wirtschaftswissenschaften an der Uni in Halle. Der echte Großvater der 1943 in Heidelberg geborenen Königin Silvia war Kaufmann Louis Carl Moritz Sommerlath (1860-1930), verheiratet mit Erna Sophie Christine (1864-1944).