Fall Michelle Fall Michelle: «Das hat nur Platz am Richtertisch»
LEIPZIG/MZ. - Zum Prozessauftakt hat Gerichtsmediziner Carsten Hädrich am Montag per Beamer Fotos der im vergangenen August missbrauchten und ermordeten Michelle auf die Leinwand projiziert. Grausame Anblicke offenbarten sich den Zuschauern: Michelles Leichnam im Teich, später nackt auf dem Obduktionstisch. Detailfotos von ausgebrochenen Zähnen, Würgemalen. Von zwei Gürtelabdrücken auf dem Oberschenkel, um zu dokumentieren, dass der Leichnam bewegt wurde. Michelles Schambereich im Großformat.
"Gezeigt wurde das Unaussprechliche", sagt Malte Heise, der Anwalt von Michelles mutmaßlichem Mörder. Das aber, betont er, könne nur Platz am Richtertisch haben, weil es sonst die Würde des Opfers verletzt. Heise malt ein weiteres Szenario: Bilder einer vergewaltigten Frau, während das Opfer im Gerichtssaal sitzt. "Wenn sich solch ein Verhalten einschleift, werden wir das künftig öfter sehen", sagt er. Opferanwältin Ina Alexandra Tust hatte erklärt, ihrer Erfahrung nach wirke sich eine öffentliche Fotopräsentation auf das Strafmaß aus. Eine Verletzung des Opferschutzes unter dem Gesichtspunkt einer möglichst hohen Strafe - das nennt Heise "Verfall der Sitten im Gerichtssaal".
Tatsächlich war das Zeigen von Opferfotos kein Einzelfall in Leipzig, beklagt Anwältin Annette Clement-Sternberger. Sie war kürzlich Verteidigerin in einem Vergewaltigungs-Prozess. Da habe der Rechtsmediziner öffentlich Bilder der Opfer in Unterwäsche gezeigt - eines der Opfer saß noch im Saal. "Das dient nur der Stimmungsmache", so Clement-Sternberger. Befangenheitsanträge gegen den Mediziner seien gescheitert. Clement-Sternberger bezweifelt die Zulässigkeit der Präsentationen: "Die Bilder sind Teil der Akte. Akteneinsicht ist in der Strafprozessordnung begrenzt."