Einstellung der EU-Fördermittel Einstellung der EU-Fördermittel: Ist umstrittene Werbekampagne Schuld?

Magdeburg - Reiner Haseloff hat eine Schachtel mit Buntstiften mit in die Kabinettspressekonferenz am Dienstag gebracht. Ein schlichtes Teil aus unbehandeltem Holz. Einzig auffallend daran ist das blaue Signet der Europäischen Union. „Früher“, sagt Haseloff, „früher hat die EU Geld für solche Werbeprodukte ausgegeben.“ Doch Buntstifte nutze ja kaum noch einer. Wer heute für die EU werben will, muss es daher cleverer machen - „wir haben die Buntstifte daher ins Internet gebracht“.
Was Haseloff sagen will, ist: Sachsen-Anhalt hat insgesamt 1,9 Millionen Euro Fördermittel der EU für die Fortsetzung seiner umstrittenen Imagekampagne „Wir stehen früher auf“ verwendet. „Dafür stehen wir früher auf“ lautet der Sub-Titel und letzte Teil der 2014 eingestellten Kampagne, für die Sachsen-Anhalt keinen einzigen Cent aus dem eigenen Haushalt beisteuern musste. So war zumindest der Plan. Filmische Porträts von Sachsen-Anhaltern wurden produziert und die Menschen animiert, selber Filme zu produzieren und ins Netz zu stellen. Kern der Botschaften: Für unser Land, für unsere Region stehen wir früher auf. Haseloff nennt es die „moderne Fortschreibung einer Idee“, die ihn nachhaltig begeistere: „Wir würden das immer wieder machen. Weil die Kampagne gut und war und dem Land genützt hat.“
Die EU war jedoch weniger begeistert, obwohl überall auf Flyern, Anzeigen, Plakaten und Filmen das dicke blaue EU-Logo prangt. Am Ende der Video-Clips wird zum Beispiel eingeblendet: „Investitionen in Ihre Zukunft. Der europäische Sozialfonds (ESF) fördert kreative Köpfe.“ Das war der EU aber zu wenig EU. Nach MZ-Informationen bemängeln die Brüsseler Prüfer, die Frühaufsteher-Kampagne sei „eine Identitätskampagne für die Region mit dem Zweck, für die Region bei allen Bürgern innerhalb und außerhalb der Region zu werben“ - und informiere nicht über die „Finanzierungsmöglichkeiten und Ziele“ der EU-Fonds. Unklar, wie das einst die Buntstifte schafften.
Nur die Spitze des Eisbergs
Die Kritik an der Frühaufsteher-Kampagne ist aber nur die Spitze des Eisberges. Die EU hat bereits im vergangenen Herbst insgesamt 258 Millionen Euro an Hilfen eingefroren. Konkret heißt das: Das Land hat entsprechende Projekte zwischenfinanziert und bekommt nun die Erstattung nicht. Wobei die EU nicht die riesige Summe kritisiert, sondern nur einen Bruchteil. Die Prüfer haben sich Förderungen für 39 Millionen Euro angeschaut, bei rund sieben Millionen sollen die Förderrichtlinien nicht eingehalten worden sein. Die insgesamt 258 Millionen wurden bis zur Klärung eingefroren. Der Sprecher der EU-Kommission, Jakub Adamowicz, machte dem Land im MDR schwere Vorwürfe: „Wir haben erhebliche Mängel in den Kontroll- und Vergabemechanismen gefunden.“ Details ließ er offen. Haseloff sprach gestern von drei Schulsanierungen.
Haseloff hat für die bei ihm in der Staatskanzlei direkt angesiedelte Imagekampagne die Notbremse gezogen und auf die Erstattung der EU verzichtet. Wie er sagt, nicht weil die EU im Recht sei, sondern „um nicht das gesamte Verfahren zu gefährden“. Mit der EU sei man „in guten Gesprächen“, die in zwei bis drei Monaten abgeschlossen werden könnten.
Die Opposition reagierte empört. „Die Konsequenzen von Unfähigkeit beim Einsatz von EU-Mitteln und der Arroganz gegenüber der Europäischen Kommission bezahlt jetzt das Land Sachsen-Anhalt“, sagte Linksfraktionschef Wulf Gallert. Landesmittel würden als Ersatz für EU-Geld nötig und der Zahlungsstopp von Wirtschaftsfördermitteln sei ein herber Rückschlag für die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft. (mz)
