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Drohende Abschiebung Drohende Abschiebung: Angst vor Ende der Duldung

19.02.2003, 21:17

Magdeburg/MZ/her. - Gabriele Herbst weiß nicht weiter. "Gülzime geht es so schlecht. Sie sagt, sie geht nicht zurück, lieber bringt sie sich um." Wenn die Pfarrerin der Magdeburger Hoffnungskirche nach Uchtspringe fährt, um die junge, kurdische Frau in der geschlossenen Psychiatrie zu besuchen, begleiten sie Ungewissheit, Traurigkeit. "Es ist furchtbar zu sehen, wie der Leidensdruck auf die Familie immer größer wird. Ein Jammer."

Bis Freitag noch sind Mehmet und Gülzime Olcay mit ihren fünf Kindern in Deutschland geduldet. "Die Frist läuft ab", sagt Martin Falkhofen, Chef im Ordnungsamt Stendal, dem die Ausländerbehörde unterstellt ist. Die Familie lebt in einem Asylbewerberheim der Stadt. Ihnen droht die Abschiebung in ihre kurdische Heimat, die sie vor zehn Jahren verlassen hatten. Bleiben durften sie so lange, weil der heute achtjährige Dogan seit einem Fenstersturz vor sieben Jahren schwerstbehindert ist und betreut werden muss (die MZ berichtete). Doch: "Die rechtlichen Möglichkeiten sind ausgeschöpft", sagt Falkhofen. Selbst der Petitionsausschuss des Landtages sieht kaum noch Handlungsspielraum. Die Familie klammert sich jetzt an ein Gutachten der Stendaler Amtsärztin. So lange das nicht vorliegt, werden sie nicht abgeschoben. Das Gutachten, heißt es, sei in Arbeit.

Ein zweites, wohlgemerkt. Denn im November ist Gülzimes psychische Situation als stabil genug begutachtet worden, um in die Türkei zurückkehren zu können. Ein Ergebnis, das den Ausländerbeauftragten des Landes, Günter Piening, empört hat: "Für uns ist unverständlich, wie die Amtsärztin zu diesem Urteil kommen konnte." Pfarrerin Herbst behauptet sogar: "Gülzime ist gar nicht noch einmal untersucht worden. Unglaublich." Schon als die Familie im Sommer vergangenen Jahres aus Angst vor der Abschiebung ins Kirchenasyl der Magdeburger Hoffnungsgemeinde geflüchtet war, ging es Gülzime schlecht, erinnert sich die Pfarrerin. "Sie hatte Angstzustände, schlief nicht, aß nichts." Im Fachkrankenhaus Jerichow diagnostizierte Chefarzt Thilo Hoffmann eine "schwere Depression".

Es lässt die Beteiligten ungläubig zurück, dass Amtsärztin Gudrun Mewes später zu einem völlig anderen Urteil gekommen war. Sie selbst habe das Gutachten gar nicht verfasst, sagt sie. Gründe ihrer Kollegin, Gülzime doch für reisefähig zu befinden, will sie nicht nennen. Es seien "offenbar medizinische".