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Dreharbeiten Dreharbeiten: Alles Clooney im Harz

Von Ingo Kugenbuch 30.04.2013, 19:32
Jubelnd werden die Soldaten im flämischen „Veurne“ empfangen. Redakteur Ingo Kugenbuch ist unter den Soldaten in der rechten Reihe.
Jubelnd werden die Soldaten im flämischen „Veurne“ empfangen. Redakteur Ingo Kugenbuch ist unter den Soldaten in der rechten Reihe. Uwe Epping/Goslarsche Zeitung Lizenz

goslar/MZ - Es ist nicht leicht, morgens um halb sechs ein Kanadier zu sein. Der Filzkragen der olivgrünen Uniform kratzt, als hätten die mexikanischen Näher Peperoni eingearbeitet, und die Schuhe mit Stahlnägeln in den Sohlen glitschen über den Fliesenboden in der ehemaligen Autoverkaufshalle in Goslar-Jerstedt. Zum Glück sind in den Munitionstaschen nur Styropor-Quader verpackt. Aus Redakteur Kugenbuch ist ein kanadischer Soldat mit dem Code CAN 004 geworden. Was tut man nicht alles für George Clooney?

Andererseits - der Komparsenjob bei Clooneys neuem Streifen „The Monuments Men“ wird mit viel mehr als den 65 Euro Honorar vergolten: Selten findet man in Deutschland eine solche Superstar-Dichte wie gestern auf der Breiten Straße im Westharzer Goslar. Auf zehn Quadratmetern steht Clooney zusammen mit seinen Kollegen Bill Murray und John Goodman. Und dann taucht auch noch der aus Goslar stammende SPD-Chef Sigmar Gabriel am Set auf - Siggi Pop eben. Nur Cate Blanchett, Jean Dujardin und Matt Damon fehlen.

Frauenschwarm Clooney - schwarzes Kapuzenshirt, blaue Schlabberjeans - gibt den Prinz Charming. Hier ein Witzchen, da ein Zwinkern, Grinsen hier, Lächeln da. Und ganz nebenbei dirigiert er eine 80-Millionen-Dollar-Produktion - und gestern 700 Komparsen. „Clooney kommt echt cool rüber“, bestätigt Adri, 37. Er spielt einen britischen Soldaten, inklusive Stahlhelm und Oberlippenbart. „Die Atmosphäre war wirklich toll“, schwärmt Adri.

Klar war die toll - schließlich werden wir Soldaten bejubelt, gefeiert. Frauen werfen uns Blumen zu, Männer schenken uns Brot. Der Film handelt von einer amerikanischen Sondereinheit von Kunstexperten, die gegen Ende des Zweiten Weltkrieges nach Europa kommen, um Kulturgüter zu schützen und verschollene Kunstwerke aufzustöbern. Gestern wird gedreht, wie die kanadischen und britischen Soldaten das belgische Veurne kampflos einnehmen.

„Ihr müsst euch nicht wundern, wenn euch die Frauen um den Hals fallen“, sagt ein Komparsenbetreuer zur Einstimmung. Frauen in dünnen Blusen und mit Wasserwelle auf dem Kopf und Männer in altmodischen Anzügen stehen bibbernd am Straßenrand und warten auf Clooneys Signal. Der lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, klatscht in die Hände, schiebt die Sonnenbrille in das dichte, graue Haar und murmelt „Let’s go“. Sein Regieassistent spricht schon lauter: „Action.“ Der Assistent des Assistenten betätigt sodann eine Druckluftflasche mit Tröte. Damit auch alle wissen: Jetzt geht es los.

Frauen und Männer jubeln und winken, wir Soldaten - mittlerweile auch mit Gewehren versorgt - marschieren neben unseren dumpf grummelnden Fahrzeugen los: Ein Tross von etwa einem Dutzend Militärtrucks schiebt sich durch die Breite Straße, die jetzt „Bronstraat“ heißt. Hindurch zwischen „Kleermaker“, „Apotheek“ und einem Laden für „Religieuze Artikelen“ - aus dem Harz ist Flandern geworden.

Der Jubel wird mit Kamerakran, Steadycam und Handkamera gedreht. Mal von vorn, mal von hinten, mal seitlich. Und am Ende mit Bill Murray. Murray, der neben dem strahlenden Clooney etwas grau und verknittert wirkt, macht sich einen Spaß daraus, junge Mädchen mit Blumen zu bewerfen. Dann muss er aber doch arbeiten und nimmt artig hinten in einem Jeep Platz - bis er sich eine Blumenschlacht mit Clooney liefert.

Clooney ist ein Phänomen. Von Frauen geliebt, von Männern geachtet, darf der Mann, der als Kinderarzt in einer amerikanischen Krankenhausserie berühmt wurde, sogar mit Ex-Catcherinnen liiert sein oder Kaffeereklame machen, ohne dafür gestraft zu werden. Sachsen-Anhalt hat der 51-Jährige im Sturm erobert - spätestens, seit er auf Drehortsuche im September überraschend in Quedlinburg auftauchte. Als er in den vergangenen Tagen in Merseburg drehte, versammelten sich überall, wo es möglich war, Neugierige und Clooney-Fans wie zu einem Volksfest, um einen Blick auf ihren Star und die Dreharbeiten zu erhaschen.

Von mehreren Dutzend Schaulustigen wurden Clooney und sein Team auch in Ilsenburg (Landkreis Harz) erwartet, als sie dort am Sonntagabend von Merseburg aus im „Landhaus zu den Rothen Forellen“ eintrafen. Immerhin: Ein kurzer Blick auf Mr. Nice Guy, der in einem schwarzen BMW-Geländewagen vorfuhr, war möglich. Aber von „George! George!“-Rufen ließ er sich dann später nicht mehr aus dem Fünf-Sterne-Hotel locken.

Das Hotel mit Sachsen-Anhalts bestem Restaurant hat Clooney für sich und sein Team für vier Wochen komplett gebucht. „Wir freuen uns sehr, Sie ab dem 25. Mai wieder in unserem Landhaus begrüßen zu dürfen“, steht auf einem Schild am Tor - wenige Meter neben den beiden Security-Männern. Eine fortschreitende Clooneymania wird in dem kleinen Harzstädtchen wohl kaum zu vermeiden sein.

In Goslar ist unterdessen der Jubel in der Innenstadt verklungen. Gegen 13 Uhr sind die Szenen im Kasten. Aus dem flämischen Herrenausstatter ist wieder das griechische Restaurant „Olympia“ geworden. Wir Komparsen geben unsere Gewehre ab und trotten mit schmerzenden Rücken hinüber zum Osterfeld, in eine kleine Gaststätte, wo Lunchpakete auf uns warten. Der Rücktransport nach Jerstedt macht deutlich, welche logistische Leistung hinter „The Monuments Men“ steckt. Sechs Busse pendeln, um 700 Komparsen zurückzubringen. Aus Adri wird wieder der VW-Angestellte und aus mir der MZ-Redakteur. Auf Wiedersehen im Kino, Mr. Clooney.

Paparazzi und Neugierige belagern das abgesperrte Set in Goslar.
Paparazzi und Neugierige belagern das abgesperrte Set in Goslar.
Uwe Epping/Goslarsche Zeitung Lizenz
George Clooney spielt selbst und führt auch Regie.
George Clooney spielt selbst und führt auch Regie.
Uwe Epping/Goslarsche Zeitung Lizenz
Auf Militär-Lkw fahren Komparsen als kanadische und britische Soldaten durch „Veurne“.
Auf Militär-Lkw fahren Komparsen als kanadische und britische Soldaten durch „Veurne“.
Uwe Epping/Goslarsche Zeitung Lizenz