Cosplayer auf der Leipziger Buchmesse Cosplayer auf der Leipziger Buchmesse: Fantasien werden lebendig

Leipzig - Mit einem T-Shirt hat alles angefangen. Es war vor rund zehn Jahren und Sindy Tiedeitz im besten Teenager-Alter, als eine Freundin ihr eben jenes selbstgestaltete T-Shirt schenkte. Nicht irgendeines, sondern vorn drauf prangte Sindys Lieblingscharakter Vegeta, ein stolzer Prinz aus der japanischen Trickfilmserie „Dragon Ball Z“ - oder „DBZ“, wie die Kennerin es nennt.
„Ich liebte die Serie, hatte die Bücher dazu und begann auch die Figuren zu sammeln, als ich in der Lehre mein eigenes Geld verdiente“, erinnert sich die 25-Jährige aus Schlaitz im Kreis Anhalt-Bitterfeld, die bis heute „DBZ“-Fan ist, wie sie erzählt.
Es blieb nicht beim T-Shirt. Längst nicht. Seit Jahren schlüpft die junge Frau in ihrer Freizeit als sogenannte Cosplayerin in die Rollen ihrer Lieblingsfiguren aus der Welt der japanischen Trickfilme, den Animes, und Comics, den Mangas. Als sie beim Interview einige der Wesen aufzählt, die sie bei Treffen der Szene mit selbstgenähten Kostümen verkörpert hat, endet das fast immer im Buchstabieren.
„Gogeta SSJ4“, „Guardevoir“ oder „Keldeo“: Das könnten auch der Name eines Motorradtyps, einer französischen Floskel und eines Schokoriegels sein ... Ein Gedanke, auf den natürlich nur ein ziemlich Uneingeweihter kommen kann. Sindy Tiedeitz derweil ist - wie viele andere in ihrem Alter - mit Pokémon, Dragon Ball Z und Co. aufgewachsen und kennt sämtliche Namen und Eigenschaften der Helden ihrer Kindheit und Jugend aus dem Effeff.
„Cosplay“, der Begriff aus dem Englischen (von costume und play, also Kostüm und Spiel), beschreibt den aus Japan stammenden Verkleidungstrend, der inzwischen bei etlichen jungen Leuten beliebt ist. Mit Karneval hat das wenig zu tun. Cosplay hat das ganze Jahr über Saison, dargestellt werden vor allem Figuren aus Mangas, Anime-Serien, Filmen oder Computerspielen. Das ist gerade auch wieder bei der bis zum Sonntag laufenden Buchmesse in Leipzig zu beobachten. Dort ist dem Thema Mangas und Comics ein eigener großer Bereich gewidmet - bei der Manga-Comic-Convention (MCC), gewissermaßen einer Messe in der Messe.
Zeichner sind die Stars der Szene
In den für die Fans an diesem Wochenende heiligen (Messe-)Hallen werden die Stars der Szene gefeiert, leibhaftige Stars: Das sind hier die von den Anhängern der Manga-Kultur bewunderten Zeichner dieser Comics. Auch ein blondes Schulmädchen mit Zauberkräften steht dieses Mal im Fokus: ein Mädchen namens Sailor Moon, das vor zwanzig Jahren mit der gleichnamigen Anime-Serie den Manga-Trend in Deutschland begründete - und dem nun eine Ausstellung auf der MCC gewidmet ist.
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Und wie selbstverständlich werden natürlich auch wieder allerlei lebendige Fantasiewesen über die Messe spazieren - die Cosplayer in Kostümen und Make-up von schrill bis einfallsreich. Die Hingucker der Messe. Für sie gehört Sehen und Gesehenwerden dazu. Einige von ihnen messen sich auch in speziellen Wettbewerben. Wenn die Verkleidungskünstler in Leipzig unterwegs sind, dann wirkt das immer ein bisschen wie beim jährlichen Wave-Gotik-Treffen - nur in Bunt. Die überaus kreativen und aufwendigen Kostüme nähen und gestalten die meisten Cosplayer selbst. Für sie gibt es bei der MCC spezielle Workshops. Das geht vom Rüstungsbau bis zum Perücken-Styling. Hauptsache, die Outfits sind bis ins letzte Detail dem Vorbild nachempfunden.
Alles muss perfekt sein - so sieht das auch Sindy Tiedeitz, die natürlich wieder mit dabei ist. Dieses Mal als Keldeo, ein Fohlen aus der Pokémon-Reihe. Mit orangefarbener Mähne (Perücke), blauen Hufen (die neuen Schuhe) und hellblauem Schwanz und Kragen (selbst genäht). Wenn sie so aufgemacht unterwegs ist, dann seien die Reaktionen ganz unterschiedlich, erzählt die Chemikantin in Elternzeit, deren Sohn gerade drei Monate alt ist. „Viele finden das gut, andere finden das albern“, berichtet Sindy Tiedeitz, deren Mann sich ebenfalls für Cosplay interessiert. „Schön ist es, wenn man um ein Foto gebeten oder als die Figur, die man darstellt, erkannt wird“, sagt die junge Frau. Das passiert auf Veranstaltungen wie der Manga-Comic-Convention logischerweise häufiger. Oder auch im Internet: Auf speziellen Seiten und in sozialen Netzwerken teilen Cosplayer gern Fotos ihrer Kostüme und tauschen sich aus.
Manga-Treffen in Bitterfeld-Wolfen
In Bitterfeld-Wolfen hat sich gar vor einigen Jahren eine Gruppe von befreundeten Manga-Fans zusammengeschlossen und den Verein „BiMaCo“ gegründet. Auch Sindy Tiedeitz gehört ihm an. „Wir wollen die Kultur in Bitterfeld bereichern und auch Leuten, die noch nicht viel mit Mangas zu tun hatten, diese näherbringen“, sagt die Vorsitzende des kleinen Vereins, Nathalie Rauchbach. Jedes Jahr veranstalten die Vereinsmitglieder die Bitterfelder Manga Convention, kurz BiMaCo: mit Cosplay-Wettbewerb, Anime-Kino, Workshops, Zeichnermeile und Bühnenprogramm. Sie findet im Oktober wieder im Kulturhaus Wolfen statt - bereits zum fünften Mal und unterstützt von Stadt und Sponsoren. Voriges Jahr kamen etwa 550 Besucher - nicht nur aus der Region, erzählt die 23-jährige Nathalie Rauchbach.
Auch auf der MCC in Leipzig ist der Verein nun wieder vertreten. „Leipzig ist eine Pflichtveranstaltung in Ostdeutschland für die Szene“, berichtet die Studentin der Wirtschaftswissenschaften und Japanologie. Wobei Letzteres eine logische Wahl von ihr war: Nathalie Rauchbach, eher Manga-Zeichnerin als Cosplayerin (aber bei Veranstaltungen auch gern mal im modernen Kimono unterwegs), ist seit ihrer Kindheit ein großer Japan-Fan und betreibt in ihrer Freizeit auch japanischen Kampfsport. „Mich fasziniert diese Kultur“, sagt sie. Wie die Messe in Leipzig nun wieder beweist, ist sie damit nicht allein.
Manga-Comic-Convention, noch bis zum Sonntag auf dem Leipziger Messegelände. Geöffnet ist jeweils zwischen 10 und 18 Uhr. (mz)
Mehr Informationen unter www.manga-comic-convention.de und www.bimaco.de


