Chemnitz Chemnitz: Sächsin hofft auf Gnade
CHEMNITZ/MZ. - Zu groß ist die Angst, etwas Falsches zu sagen. Zu groß die Angst, öffentlicher Druck könnte verhindern, was sich hier so mancher wünscht: die Begnadigung von Dana Gerlich, die aus dem Ort stammt. Fünf Jahre, nachdem die junge Frau im Oman wegen Mordes an ihrem Vater zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, könnte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sie auf freien Fuß lassen. Dafür wird in der Gornsdorfer Kirche gebetet, dafür setzt sich ein Bundestagsabgeordneter ein, wurde eine vierstellige Zahl von Unterschriften gesammelt. Selbst dem Petitionsausschuss des Bundestages liegen mehrere Schreiben vor.
Der Fall der 34-Jährigen ging vor fünf Jahren bundesweit durch die Medien. Er beginnt in einer Reha-Klinik in Sachsen. Dort lernt die Physiotherapeutin den querschnittsgelähmten Fausi el Ghammari aus dem Oman kennen - und folgt ihm später in sein Heimatland, eröffnet eine Praxis. Ende 2003 besucht Gerlichs Vater Manfred sie dort zum ersten Mal. Das Verhältnis der beiden ist nicht unbelastet - Dana Gerlich soll enttäuscht vom Vater gewesen sein, weil der jahrelang seine Frau betrogen habe. Sie habe ihn aber eingeladen, weil sie "Frieden schließen wollte mit ihm", sagt Mutter Karin später.
Am Mittag des 1. Dezember finden Schülerinnen die Leiche von Manfred Gerlich in einem Park in der Hauptstadt Maskat. Er ist mit einem Kopfschuss getötet worden. Die omanischen Behörden stehen zunächst vor einem Rätsel. Dana Gerlich lässt die Leiche ihres Vaters einäschern, fliegt mit den sterblichen Überresten nach Deutschland. Dort erfährt sie Heiligabend, die Mörder ihres Vaters seien gefasst. Als sie am 28. Dezember in den Oman zurückkehrt, wird sie festgenommen. Sie und ihr Freund werden von drei Verdächtigen beschuldigt, den Mord an Gerlich in Auftrag gegeben zu haben. Gerlich habe seine Frau gedemütigt - ein Grund für die Tochter, ihre Mutter zu rächen, glauben die Behörden. Zudem sei der Vater gegen ihre Beziehung gewesen.
Dana Gerlich droht die Todesstrafe. Das wird spätestens klar, als sich der Großmufti des Sultanats - die höchste religiöse Instanz im Oman - mit dem Fall beschäftigt. Deutschland interveniert. Und am Ende eines Indizienprozesses, in dem die eigentlichen Täter ihr Geständnis widerrufen, steht für Gerlich eine lebenslange Haftstrafe.
Die Gornsdorferin hat ihre Beteiligung am Mordkomplott stets bestritten, ihr Anwalt einseitige Ermittlungen beklagt. Mutter Karin fragt 2004 im Interview: "Kehrt jemand, der so etwas getan hat, freiwillig in ein Land zurück, in dem die Todesstrafe droht?" Dana Gerlich hätte doch damit rechnen müssen, von "ihren Auftragnehmern" identifiziert zu werden.
Seit Oktober 2005 sitzt die 34-Jährige nun in Chemnitz in Haft. Ihr Urteil, das im Oman Haft bis zum Tod bedeutet hätte, ist in eine lebenslange Strafe nach deutschem Recht umgewandelt worden. Der Oman hat die Physiotherapeutin ausgeliefert unter der Bedingung, dass sie mindestens fünf Jahre davon absitzen muss. Die Frist endet am 17. Juli. Um Schuld oder Unschuld geht es jetzt nicht mehr, sagen ihre Unterstützer - trotz all ihrer Zweifel an ersterem. Ein Wiederaufnahmeverfahren in Deutschland ist nicht möglich. Entsprechende Anträge lehnten das Oberlandesgericht Dresden und das Bundesverfassungsgericht ab. Dazu, hieß es zur Begründung, hätte Gerlich 2005 gegen die deutsche Entscheidung, das Urteil aus dem Oman in deutsches Recht umzuwandeln und auch hier zu vollstrecken, Rechtsmittel einlegen müssen. Dies hat sie nicht getan.
Es gehe, heißt es nun, bei dem Gnadengesuch auch darum, "dass das Verfahren im Oman nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen stattgefunden hat". So soll Dana Gerlich nicht einmal einen Übersetzer gehabt haben. Sollte Tillich die 34-Jährige begnadigen, wäre sie immer noch eine verurteilte Mörderin. Aber in Freiheit.
Grundsätzlich ist das Gnadenrecht in Deutschland jedoch nicht unumstritten. Strafrechtler Alfons Klein hat es schon vor Jahren als "Fremdkörper im Rechtsstaat" bezeichnet. Zuletzt forderte Historiker Michael Wolffsohn eine Grundgesetzänderung, nach der das Gnadenrecht durch ein Recht auf Straferleichterungen und -verkürzungen ersetzt wird, über das nur ein "pluralistisch zusammengesetztes Gremium" entscheiden dürfe.
Tillich liegt das Gnadengesuch von Dana Gerlich seit April vor. Wann er eine Entscheidung fällt, ließ die Staatskanzlei offen.