1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Chaos bei Sturm "Friederike" : Chaos bei Sturm "Friederike": So will sich die Deutsche Bahn auf Wetter-Extreme einstellen

Chaos bei Sturm "Friederike"  Chaos bei Sturm "Friederike": So will sich die Deutsche Bahn auf Wetter-Extreme einstellen

Von Ralf Böhme 05.03.2018, 07:00
Umgestürzte Bäume und Äste auf den Gleisen: Sturmtief „Friederike“ hatte die Bahn gezwungen, deutschlandweit den Fernverkehr einzustellen.
Umgestürzte Bäume und Äste auf den Gleisen: Sturmtief „Friederike“ hatte die Bahn gezwungen, deutschlandweit den Fernverkehr einzustellen.  dpa

Halle (Saale) - Nicht wundern! Seit Wochenbeginn sind Förster entlang der Bahnstrecken in Sachsen-Anhalt unterwegs. Sie suchen nach verdächtigen Bäumen. Drohen sie auf die Gleise zu stürzen, steht ihre baldige Fällung an.

Grund der Aktion ist ein Versprechen des Konzerns: Die Deutsche Bahn will den nächsten Orkan in Mitteldeutschland besser überstehen. Bezahlt werden die Arbeiten aus einem Topf, den das Unternehmen bezogen auf den Bund mit 625 Millionen Euro füllt.

Ziel der Rieseninvestition ist es, den Transportbetrieb innerhalb von fünf Jahren deutlich sturmsicherer zu machen. Dabei sei man auf die Mithilfe und Zusammenarbeit mit Behörden, Ämtern und Waldbesitzern angewiesen, wirbt die Bahn um Unterstützung.

Sturmsichere Schienen: Baumkletterer und Helikopter sind gefragt

Vorrang haben die Haupttrassen. Aber anders als bisher sollen die Arbeiten nicht nur an ausgewählten Stellen erfolgen. Das Projekt sieht vor, letztlich keinen Meter der Fahrstrecken auszulassen. Das betrifft auch unzugängliche Gebiete. Dort kommen Baumkletterer sowie Helikopter mit Sägen und Greifern zum Einsatz.

Zudem sollen neue Mitarbeiter eingestellt werden. Bundesweit ist an ungefähr 150 zusätzliche Stellen gedacht. Dementsprechend muss die Bahn sehr tief in die Tasche greifen. In Sachsen-Anhalt kommt voraussichtlich eine Summe im zweistelligen Millionenbereich zusammen, so eine interne Schätzung.

Sturm „Friederike“ hatte Bahnverkehr landesweit lahm gelegt

Letzter Auslöser des forstlichen Großvorhabens war der verheerende Sturm „Friederike“. Im Januar hatte das Naturereignis mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 100 Kilometern pro Stunde zum landesweiten Stillstand im Regional- und Fernverkehr geführt.

Blockiert durch Baumbrüche und damit häufig verbundene Stromleitungsrisse waren beispielsweise so wichtige Linien wie von Halle nach Magdeburg oder Erfurt. Hindernisse mussten auch auf den Strecken nach München, Berlin und Stendal beseitigt werden. Es dauerte Tage, bis Personen- und Güterzüge wieder weitgehend entsprechend der üblichen Fahrpläne rollten.

Klima-Extreme bringen immer öfter auch die Bahn unter Druck

Bei ihren Planungen stützt sich die Bahn auf eine aktuelle Studie des Potsdam-Institutes für Klimaforschung (PIK). Demnach können viele früher seltene Extreme in absehbarer Zeit „zur neuen Normalität“ gehören. „Diese Untersuchung zeigt, dass wir uns auf mehr Unwetter, auf Starkregen sowie Hitzewellen und Hochwasser einstellen müssen“, so Bahn-Chef Richard Lutz. Der Klimawandel ist ihm zufolge ein nicht zu leugnender Fakt.

Deshalb werde der Konzern vielfältig gegensteuern - nicht zuletzt mit einem robusten Waldbestand. PIK-Direktor Joachim Schellnhuber betont die Dringlichkeit der Aufgabe: „Egal, wo lokale Wetterextreme zuschlagen, sie treffen fast immer die Bahn.“

Welche Bäume die Deutsche Bahn unter die Lupe nimmt

In den kommenden Wochen und Monaten sollen die Förster und ihre Helfer sämtliche Gefahrenpunkte erkennen. Gleichzeitig erfolgt die digitale Katalogisierung der Bestände. „Nach Auswertung sämtlicher Daten sollen ab Herbst abschnittsweise groß angelegte Durchforstungen starten“, kündigt Holger Auferkamp, Bahnsprecher für Sachsen-Anhalt an. Betroffen davon sind zunächst die Streifen jeweils sechs Meter links und rechts der Schienenwege. Als Maß der Dinge gilt: Erlaubt sind nur Bäume mit stabiler Höhe sowie Sträucher und Feldgehölze.

Außerdem werden sturmanfällige Bäume und Sträucher außerhalb dieses Areals in den Blick genommen. Dazu gehören alle nicht standortgerechten Arten, zum Beispiel Fichten auf nassen Böden. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen dabei immer diese vier Punkte: Krone, Stamm, Wurzelbereich und das nähere Umfeld. Die Inspektion erfasst die Vegetation zu unterschiedlichen Zeitpunkten - zunächst ohne Laub, dann noch einmal, wenn die Bäume grün sind. (mz)