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Boxer Boxer: Hans Dampf - Timo Hoffmann

Von petra Szag 07.09.2012, 17:51

Halle (Saale)/MZ. - Den Koloss von Mann kann man nicht übersehen. Selbst sitzend ist Timo Hoffmann eine imposante Erscheinung, so wie er da genüsslich in dem Gartenlokal des Italieners mitten in Halle eine Riesenportion Spaghetti hineinschaufelt in seine 115 Kilogramm Lebendgewicht, verteilt auf über zwei Meter. Nichts kann ihm die gute Laune verderben, auch nicht die überraschende Störung, die von hinten naht. "Bitte, Herr Hoffmann", sagt ein grau melierter Mann im vornehmen Anzug schüchtern und schiebt ihm vorsichtig einen bunt bedruckten Zettel herrüber. "Würden Sie mir hierauf ein Autogramm geben?" Auf den Flyer, der für den nächsten Kampf des Profiboxers jetzt am Freitagabend wirbt.

Bei dem es immerhin um einen EM-Titel - wenn auch eines nur klitzekleinen Verbandes - geht, unter freiem Himmel. Die Gesichtszüge des Angesprochenen werden betont freundlich. Keine Frage, er fühlt sich gebauchpinselt. "Natürlich, gern", sagt Hoffmann und setzt fein säuberlich seinen Schriftzug auf das Bild mit seinem Konterfei in Postkartenformat. Es erstaunt schon, dass der 37-Jährige nicht nur in einschlägigen Boxerkreisen bekannt ist wie ein bunter Hund, die Zeit der großen Kämpfe wie gegen einen Vitali Klitschko ist doch längst vorbei.

"Ich werde noch immer oft angesprochen", sagt Hoffmann und grient. Kein Zweifel, er genießt es, prominent zu sein in dem für Sportverhältnisse provinziellen Halle. Man kennt Timo Hoffmann in seiner sportlichen Heimat. Nicht nur wegen seiner Gardemaße und alter Erfolge. Man kennt ihn wohl vor allem deshalb, weil er einiges dafür tut, dass das so bleibt. Was auf dem Plakat in Miniformat im Kleingedruckten zu lesen und für den Fan damit nicht auf den ersten Blick erkennbar ist: Der Kampf wurde von Hoffmann selbst eingefädelt, er stellt das Boxspektakel auch selbst mit auf die Beine, angefangen vom Ringaufbau auf dem Freigelände nahe des Neustädter Bruchsees über die Bestuhlung des Vip-Bereichs bis hin zum Ranschaffen der Dixi-Klos.

Auch wenn er kleinere Brötchen bäckt, das hat der ausgebildete Konditor im Laufe seiner langen Karriere gelernt, kann der Boxer in der Öffentlichkeit punkten. Diesmal hat er sich Steffen Kretschmann als Gegner auserkoren. Jenen Profi, der vor zwei Jahren in die Schlagzeilen kam, als er als neuer Star eines privaten TV-Senders aufgebaut werden sollte und dessen Nerven damals versagt hatten. Das Duell der besten Schwergewichte, die Halle seit der Wende herausgebracht hat - das klingt reizvoll. Dazu an einem ungewöhnlichen Ort. Und unterhaltsam verpackt mit frecher Musik und sexy Tanzeinlagen.

Hoffmanns Idee: "Die Leute sollen einen netten Abend haben und zufrieden nach Hause gehen." Möglicherweise wird der Boxer Hoffmann selbst am Ende nicht zufrieden sein. Wenn er verlieren wird, "dann wäre ich sicher traurig", sagt der Sportsmann ehrlich. Wer verliert schon gern?! Kretschmann gilt in Fachkreisen als der bessere Faustkämpfer. Und er ist fünf Jahre jünger. Trotzdem: Egal, wie der Kampf ausgeht, gewinnen wird auch Hoffmann. So oder so. Es ist ein weiterer Schritt für ihn in die Geschäftswelt. "Mir macht es Spaß, solche Sachen zu organisieren", gibt der im Mansfeldischen Geborene zu. Im Sport ist er zu Hause, da kennt er sich aus. Nichts hat er jemals so intensiv betrieben wie das Boxen.

Warum also nicht von diesen Erfahrungen und Verbindungen profitieren?! "Ich habe durch das Boxen so viele interessante Leute kennengelernt, von denen ich eine Menge lernen konnte", sagt er und denkt da weniger an Berühmtheiten. Er meint vor allem jene, die sich als wahre Freunde erwiesen haben und heute zuverlässige Partner sind wie Rainer Gerlach. Der hilft ihm nicht nur an Kampfabenden in allen betriebswirtschaftlichen Belangen. Und noch etwas immens wichtiges verdankt Hoffmann dem Sport: seine finanzielle Unabhängigkeit. Mit dem Boxen hat er sich seine Existenzgrundlage geschaffen.

Über Geld will er partout nicht sprechen. Doch dass er seine früher recht üppigen Kampfbörsen gewinnbringend angelegt hat, kann und will er auch gar nicht abstreiten. Seiner Oma sei dank. "Als ich mir nach einem großen Kampf einen BMW X5 leisten wollte, hat sie mir gesagt: Junge, das Ding ist in fünf Jahren nichts mehr wert, investiere doch lieber in Wohnungen." Ein kluger Rat. Und der hat ihm letztlich auch zu seinem eigenen Wohnsitz verholfen. Sein Rückzugsgebiet nennt sich Eichenhof. Er gehört zur Gemeinde Polleben unweit von Eisleben. Und ist wie geschaffen für einen Boxer, der sich selbst vor Jahren den Kampfnamen deutsche Eiche ausgesucht hat. Was dieser Baum symbolisiert, will Hoffmann im Ring verkörpern. Und im wahren Leben: Kraft, Stärke, Unbeugsamkeit. In seiner ganz privaten Idylle hackt er Holz. Züchtet Tauben. Oder pflanzt Eichenbäume.

In dem senffarbenen Bauernhaus mit den zwei Scheunen lebt er mit seiner Anette, einer Polizistin aus Hettstedt, die schon eine Ewigkeit an seiner Seit ist. Und mit der er die Dreikäsehoch Ronja (3) und Tilda (5 Monate) hat. "Durch die zwei weiß ich, wie zerbrechlich so ein kleines Leben ist", sagt mit sanfter Stimme der Herkules. In der Vaterrolle geht er voll auf. Windeln wechseln, zum Kindergarten fahren oder auf den Spielplatz gehen - alles kein Problem. Seit seine Töchter auf der Welt sind, macht er sich sogar über Probleme Gedanken, die ihm früher egal waren. "Ich habe nun einen Organspendeausweis", sagt er. Und er hat sich typisieren lassen, um mit seinen Stammzellen vielleicht einem Kranken helfen zu können.

Überhaupt liegen ihn die lieben Kleinen, nicht nur die eigenen, am Herzen. So hat Hoffmann letztes Jahr den Frühlingslauf in Eisleben ins Leben gerufen, um Kinder für das Sporttreiben zu begeistern. "Es gibt zu viele mit Übergewicht schon in dem Alter", seufzt Hoffmann. Er weiß nur zu gut, wovon er spricht. "Auch ich war ein dickes Kind. Meine Mutter musste mir sogar immer Keile in die Hose nähen." Eine Demütigung, die er anderen ersparen will. Und offenbar auch kann. Hoffmann hat gemerkt, dass er einiges bewegen kann. Mit seinem Namen. Mit seinen Erfahrun-gen und mit seinem Organisationstalent. Er kann es sich leisten, nur das zu tun, worauf er Lust hat. Seine kleine Sicherheitsfirma zum Beispiel, mit der er seine Box-Veranstaltungen auch schon mal selbst betreut. Wie die heute Abend auf der Eisleber Wiese.

Neuerdings hat er auch einen Plan B. So heißt das Café in Eisleben, an dem er mit beteiligt ist. Beides sieht er nicht als finanzielle Standbeine, sondern betreibt es "aus Spaß", wie er betont. Wenn er darum gebeten wird, quält er sich für einen guten Zweck über die Marathon-Distanz. Oder macht sich mit einem Prominententeam von Wittenberg auf bis zum Papst nach Rom, um Spendengelder zu sammeln. "Ich bin in der glücklichen Lage, das tun zu können, worauf ich Lust habe. Und das alles durch den Sport. Dafür bin ich dankbar", sagt Hoffmann. Mit Kampfabenden wie dem jetzt gegen Kretschmann glaubt er, die Fans und sogar seine Heimat etwas teilhaben zu lassen an seinem Glück. "Halle ist eine Boxhochburg. Und das muss so bleiben.

Wir brauchen Veranstaltungen mit Zugkraft", argumentiert Hoffmann. Deshalb mache er sich all die Mühe. Und sicher auch ein ganz klein bisschen, um weiter im Gespräch zu bleiben. Der Kampfabend beginnt am 14. September um 19.30 Uhr im Tabea-Bürgerpark am Bruchsee in Halle-Neustadt.