Bitterfeld-Wolfen Bitterfeld-Wolfen: Ein Festival der Lässigkeit
Bitterfeld-Wolfen/MZ. - Eine Party ist nur so gut wie ihre Vorbereitung. Und so schleppen Scharen von Jugendlichen am Samstagnachmittag - Tag zwei des riesigen Hip-Hop-Treffens - Säcke mit Grillkohle und Großpackungen Getränke auf die Halbinsel Pouch. Manche schieben ganze Einkaufswagen vor sich her, um die Clique auf dem Zeltplatz zu versorgen. Mittendrin: Gertrud Rothe. Die 80-Jährige, die unweit des Spektakels wohnt, ist zum Eingang der Halbinsel geradelt. "Wir hören ja eher Volksmusik und Schlager", sagt sie, während auf den vier Bühnen des Festivals bereits gerappt wird, "aber ein paar Tage kann man das verkraften". Es sei doch toll, wenn den Jugendlichen etwas geboten wird. Außerdem: "Für uns ist das sehr interessant - wie sich die jungen Leute kleiden, zum Beispiel."
Styling muss sein
Jeans und T-Shirt in XXL, ein Basecap aus seiner 40-Stück-Sammlung und - trotz Bewölkung - eine ausgeflippte Sonnenbrille müssen es für den 19-jährigen Andy Zirnstein sein. "In unserem Dorf kann das niemand verstehen", sagt der Hip-Hop-Fan aus der Nähe von Dresden, "aber hier weiß ich, dass es noch viele andere Verrückte gibt." Er hat es sich mit seinen Freunden auf Campingstühlen bequem gemacht. So früh am Abend lassen sie es gemütlich angehen, bevor bis tief in die Nacht getanzt und gefeiert wird. Das machen die meisten hier so: grillen, quatschen, trinken, schlafen, die Duschen suchen - zwischendurch geht es zur Bühne, wenn der Lieblingsstar auftritt.
Die 23-jährige Rishanda Häussler aus Minden, Soldatin von Beruf, sitzt mit ihren Freundinnen auch abends um acht noch im Schlafanzug vor dem Zelt. Bevor ihr Favorit, US-Rapper Jay-Z, auftritt, dauert es noch mehr als vier Stunden. Also vertreibt man sich die Zeit mit Zöpfe flechten. Je näher sein Auftritt rückt, umso nervöser werden auch die Organisatoren hinter den Kulissen. Jay-Z wurde mehrfach mit dem Musikpreis "Grammy" ausgezeichnet und gilt als ganz Großer der Szene. Ein bisschen divenhaft soll er ja sein - mit seinen eigenen Köchen im Schlepptau. "Wenn er mit seiner Entourage hier eintrifft, muss der Backstage-Bereich für ihn geräumt sein", sagt Festival-Sprecher Jan Voigtmann. Doch nach elf Jahren "Splash" sind die Veranstalter einiges gewöhnt.
Dass man das Festival im vergangenen Jahr von einem Gelände bei Chemnitz an die Goitzsche holen konnte, bezeichnet Lutz Bernhardt als Glücksfall. "Unser Ziel ist es, die Region so bekannt zu machen, dass die Leute auch ohne Festivals herkommen", so der Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft EBV, die die Halbinsel Pouch vermarktet. Mit dem "Sputnik Springbreak", dem Nachfolger der "Turntable Days", hat man dieses Jahr einen weiteren Coup gelandet. Das Interesse an dem Gelände sei so groß, dass man mittlerweile sogar Absagen erteilen muss, so Bernhardt. Denn Veranstaltungen auf der Halbinsel seien jährlich nur an zehn Nächten erlaubt.
"Hier sind viel mehr Jungs als Mädchen - man steht ständig unter Beobachtung", sagt die 18-jährige Anna Malou aus Gütersloh genervt, als sie mal wieder angesprochen wird. Mit Fremden in Kontakt treten, das ist bei dem Festival kein Problem. Zum Glück, findet Jussi Hämäläinen aus Helsinki. Er ist allein angereist. "Manchmal im Leben muss man verrückte Sachen machen", so der 27-Jährige. Wegen der "tollen Künstler" hat er den weiten Weg auf sich genommen.
Unterdessen zieht es die Massen vom Zeltplatz zur Hauptbühne, wo die Band Blumentopf die Fans fragt: "Habt ihr noch Power?" Klar, befindet Beate Lampe, die mit Mann und Sohn im Publikum steht - auf ihre Initiative. "Ein tolles Festival", schwärmt die 44-Jährige aus der Nähe von Hannover. Nur manchmal sei es ein bisschen laut, sagt sie, und holt lächelnd zwei Ohrstöpsel aus der Hosentasche. Aber Reggae-Star Shaggy will sie sich in voller Lautstärke anhören. Dieser gibt denn zu vorgerückter Stunde mit seinen kreisenden Hüftbewegungen auch alles, um die Fans zum Kreischen zu bringen. Er gräbt sogar den "Mr Boombastic" aus, seinen Hit von 1995.
Rapper bewegt Fans
Pünktlich um 0.30 Uhr betritt dann Rap-Ikone Jay-Z die Bühne - und es scheint, als hätten sich alle der laut Veranstalter rund 20 000 angereisten Fans vor ihm aufgebaut. Um als sich lässig bewegende Masse das auszudrücken, was auf so vielen T-Shirts hier steht: "I love Hip-Hop."