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Bildungsstudie Bildungsstudie: Schlechte Noten für Sachsen-Anhalt

Von Christian Schafmeister 12.12.2014, 08:23
Fast jeder zweite Grundschüler wechselt auf das Gymnasium.
Fast jeder zweite Grundschüler wechselt auf das Gymnasium. dpa Lizenz

Halle/Gütersloh - Der Chancenspiegel, den die Bertelsmann-Stiftung mit der TU Dortmund und der Universität Jena erarbeitet hat, ist am Mittwoch zum dritten Mal veröffentlicht worden. Untersucht wird, inwiefern Kinder und Jugendliche in den einzelnen Bundesländern gute Chancen haben, in das bestehende Schulsystem integriert zu werden, zwischen einzelnen Schulformen wechseln zu können, Kompetenzen zu erlangen und letztlich gute Abschlüsse zu bekommen.

Das Kultusministerium in Magdeburg hält die Studie nur für „bedingt aussagekräftig“. So seien in Sachsen-Anhalt die Quoten für Wiederholer und Schüler ohne Abschluss inzwischen besser als zum Zeitpunkt der Studie. Mit ihren Kompetenzen in Mathe und den Naturwissenschaften seien die Neuntklässler in Sachsen-Anhalt nach jüngsten Untersuchungen nicht nur im Mittelfeld, sondern in der Spitzengruppe in Deutschland.

Bei den Werten zur Ganztagsbetreuung habe die Studie nicht die Hortbetreuung an Grundschulen berücksichtigt. 2012/13 habe es jedoch für 68 Prozent der Grundschüler Ganztagesangebote gegeben.

Auch beim Unterricht für Schüler mit Förderbedarf an Regelschulen habe Sachsen-Anhalt einen großen Sprung gemacht, sagte Staatssekretär Jan Hofmann. Genauer anschauen will sich das Ministerium jedoch die hohe Abhängigkeit zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft. Laut Studie ist dieses Phänomen in Sachsen-Anhalt besonders stark ausgeprägt.

Die Bildungsgewerkschaft GEW sieht viele Ergebnisse mit gemischten Gefühlen. So sei es zwar positiv, wenn fast die Hälfte der Fünftklässler ein Gymnasium besucht. Andererseits bestehe die Gefahr, dass die andere Hälfte abfalle, weil sie nicht richtig gefördert werden könne, sagte Sprecher Hans-Dieter Klein. Dies zeige sich schon heute an dem hohen Anteil von Schülern, die ohne Abschluss die Schule verlassen.

Das Problem verschärfe sich, wenn noch mehr Kinder mit Förderbedarf eine Regelschule besuchen, es aber an qualifiziertem Personal fehle. Bereits heute hätten die Sekundarschulen oft ein Imageproblem. „Letztlich spiegelt sich die Spaltung der Gesellschaft im Schulsystem wieder.“

Sachsen-Anhalt bekommt dabei eher schlechte Noten. So hängt das Land beim Anteil der Schüler, die ohne Abschluss bleiben oder eine Klasse wiederholen müssen, jeweils auf hinteren Plätzen. Schlecht schneidet Sachsen-Anhalt auch bei der Ganztagsbetreuung und dem Anteil der Schüler ab, die die Fachhochschul- oder die Hochschulreife erlangen. Im Mittelfeld landet das Land dagegen bei der Mathekompetenz. Auf einen Spitzenwert kommt das Land bei der Quote der Fünftklässler, die auf das Gymnasium wechseln.

Ganztagsschulen auf dem Vormarsch

Erfreulich ist aus Sicht der Autoren, dass die Ganztagsschulen bundesweit weiter auf dem Vormarsch sind, die Zahl der Abbrecher sinkt und immer mehr Schüler die Hochschulreife erlangen. Umgekehrt ist der schulische Erfolg weiter stark von der sozialen Herkunft abhängig. Zudem gelingt es nur bedingt, Schüler mit einem besonderen Förderbedarf an Regelschulen zu unterrichten (Inklusion).

Die Autoren konzentrieren sich auf die vier Themenfelder Integrationskraft, Durchlässigkeit, Kompetenzförderung und Zertifikatsvergabe, also die Vergabe von Abschlüssen. (mz)

In dieser Rubrik wird die Situation mit Blick auf den Anteil von Schülern mit einem besonderen Förderbedarf (Förderquote), auf den Anteil der Schüler an Förderschulen (Exklusionsquote) und auf die Chancen zum ganztätigen Lernen (Schüler an Ganztagsschulen) untersucht.

Deutschlandweit kommt die Inklusion nur langsam voran. So stagniert der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die in separaten Förderschulen - und damit nicht an Regelschulen - unterrichtet werden. Diese sogenannte Exklusionsquote hat sich zwischen den Schuljahren 2009/10 und 2012/13 kaum verändert und ist in dieser Zeit nur von 5,0 auf 4,8 Prozent gesunken.

Der Osten schneidet in doppelter Hinsicht schlecht ab. So gelten hier mehr Kinder als förderwürdig, zudem fällt die Exklusionsquote hoch aus. Sachsen-Anhalt zählt zur Gruppe mit den schlechtesten Werten. Sowohl die Förderquote (9,4 Prozent) als auch die Exklusionsquote (7,1 Prozent) fallen hierzulande deutlich schlechter aus als in Ländern der Spitzengruppe. Länder wie Sachsen-Anhalt seien daher, so das Fazit, „von einer Zusammenführung des Regelschul- mit dem Förderschulsystem noch weit entfernt“.

Sachsen-Anhalt zählt aber auch bei den Ganztagsschulen zur Gruppe mit den schlechtesten Werten. Im Land besuchen 22,3 Prozent der Schüler eine Ganztagsschule. Zum Vergleich: In der Spitzengruppe, zu der das Nachbarland Thüringen gehört, liegt der Wert bei mehr als 63 Prozent.

Bundesweit kommt der Ausbau der Ganztagsschulen voran, wenn auch langsam. 2012 nahmen rund 2,4 Millionen Kinder und Jugendliche am ganztägigen Unterricht teil, das sind 32,3 Prozent und damit 5,4 Prozent mehr als 2009. Angesichts der großen Bemühungen von Bund und Ländern zum Ausbau der Ganztagsschulen und der steigenden Nachfrage handele es sich aber nur um einen verhältnismäßig kleinen Anstieg.

Die Dimension betrachtet Chancen auf den Besuch eines Gymnasiums, das Risiko einer Klassenwiederholung und die Chance auf eine Berufsausbildung von Schülern, die bestenfalls einen Hauptschulabschluss haben.

Sachsen-Anhalt zählt dabei zu den Ländern mit der höchsten Quote von Wiederholern. Hierzulande müssen 3,1 Prozent der Schüler ein Schuljahr wiederholen. Laut Studie ist in diesen Ländern, und zwar gegenläufig zu den angekündigten Bemühungen, das Risiko für eine „Ehrenrunde“ sogar noch gestiegen. In der Spitzengruppe, zu der wieder Thüringen gehört, liegt der Wiederholer-Anteil bei nur 1,6 Prozent. Deutschlandweit ist Wiederholer-Quote zuletzt gesunken. Sie nahm von 2,9 Prozent (2009/10) auf 2,7 Prozent (2012/13) ab.

Erfreulich hat sich die Situation der Schüler entwickelt, die bestenfalls einen Hauptschulabschluss erreichen. Sachsen-Anhalt kommt jedoch auch hier auf schlechte Werte. Während bundesweit 41,6 Prozent der Betroffenen eine Lehrstelle bekommen, sind es in Sachsen-Anhalt 38,1 Prozent. Am Besten sind die Aussichten in Bayern, aber auch in den zwei ostdeutschen Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg mit durchschnittlich 52,4 Prozent.

Grundsätzlich sei der Zugang zum Ausbildungsmarkt für die schlecht qualifizierten jungen Menschen sehr wichtig und „ein zentraler Hebel für gesellschaftliche Teilhabe“.

Der Anteil der Viertklässler, die auf ein Gymnasium wechseln, ist erneut leicht gestiegen und liegt nunmehr bundesweit bei 42,9 Prozent. In Sachsen-Anhalt sind es sogar 48 Prozent, damit liegt das Land in der Spitzengruppe. Trotz zahlreicher Umstrukturierungen des Schulsystems in einzelnen Bundesländern bleibe das Gymnasium damit die wichtigste Schulform. Insgesamt habe sich in diesem Bereich in den letzen vier Jahren „relativ wenig bewegt“.

Hier werden die Untersuchungen zu den Bildungsstandards in der neunten Klasse im Fach Mathematik herangezogen. Es geht um die durchschnittliche Leistung, das Abschneiden der stärksten und schwächsten Schüler sowie den Unterschied zwischen Schülern aus oberen und unteren Schichten.

Schüler aus Sachsen-Anhalt landen bei der Mathe-Kompetenz in der mittleren Gruppe. Kinder aus sozial schwächer gestellten Familien bleiben hierzulande aber besonders weit hinter den gleichaltrigen Schülern aus den höheren Schichten zurück. Grundsätzlich lässt sich diese „ausgeprägte Abhängigkeit“ zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft aber auch bundesweit weiter beobachten.

Kinder und Jugendliche aus Familien höherer sozialer Schichten erreichen in der neunten Klasse bundesweit einen Vorsprung in der Mathe-Kompetenz gegenüber Altersgenossen aus niedrigen sozialen Schichten. Neuntklässler mit besserer sozialer Herkunft haben einen Kompetenzvorsprung, der zwei Schuljahren entspricht.

Hier geht es um die Situation in den einzelnen Ländern in Bezug auf das Risiko, die Schulzeit ohne einen Abschluss zu beenden, und die Chance, die Hochschulreife zu erlangen.

In Sachsen-Anhalt verlassen 11,6 Prozent der Jugendlichen die Schule ohne Abschluss. Dieser Wert ist noch höher als der Durchschnitt der Gruppe mit den schlechtesten Ergebnissen (zehn Prozent), zu der auch Sachsen, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern gehören. „Einmal mehr sind die Risiken der ostdeutschen Schüler besonders hoch“, heißt es in der Studie. Insgesamt hat sich aber der positive Trend aus den vergangenen Jahren fortgesetzt. So laufen bundesweit immer weniger Schüler Gefahr, ihre Schulzeit ohne Abschluss zu beenden. So hat der Anteil der Abgänger ohne einen Abschluss von 6,9 Prozent (2009) auf 6,0 Prozent (2012) abgenommen.

Schlecht schneidet Sachsen-Anhalt auch bei den Schülern ab, die die Fachhochschul- oder Hochschulreife erlangen. Hierzulande sind dies 38,6 Prozent. Bundesweit ist der Anteil junger Leute mit Fachhochschul- oder Hochschulreife deutlich höher. 2012 waren es 54,9 Prozent, drei Jahre zuvor 46,7 Prozent. Da es viele Quereinsteiger gibt und auch andere Schulformen als das Gymnasium zur Fachhochschulreife führen, liegen die Werte meist höher als der Anteil der Schüler, die nach der Grundschule direkt auf ein Gymnasium wechseln. (mz)

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