Bildung in Sachsen-Anhalt Bildung in Sachsen-Anhalt: Bald zu wenig Deutsch in den Schulen?

Magdeburg - Nach der Einführung der Gemeinschaftsschule als neuer Form fühlen sich die Sekundarschullehrer in Sachsen-Anhalt vom Kultusministerium vernachlässigt. Es werde „auf dem Rücken der Schüler und der Lehrkräfte an den Sekundarschulen saniert und eingespart“, kritisiert Claudia Diepenbrock, Landesvorsitzende des Sekundarschullehrer-Verbandes.
Anlass für den Unmut ist ein neuer Organisationserlass mit veränderten Vorgaben zum nächsten Schuljahr. Der Verband beklagt Kürzungen in der Stundentafel. „Man muss annehmen, dass die Sekundarschule zu Gunsten der Gemeinschaftsschule demontiert werden soll“, urteilt Diepenbrock.
Die Organisation der Sekundarschule ist komplex. Mit dem Erlass gibt das Ministerium vor, was in einer Schule wann in welchem Umfang unterrichtet werden soll und darf. Das macht das Ministerium eigenständig, ein Erlass muss den Landtag nicht passieren. Im aktuellen werden die Fächer unterschieden unter anderem in „Kernfächer“, „Naturwissenschaften“, „Gesellschaftswissenschaften“ und „Profilbereich“ - dazu gehören Wirtschaft, Technik und Hauswirtschaft.
Sekundarschulen integrieren Hauptschul- und Realschulabschluss, das Abitur kann dort nicht abgelegt werden - im Unterschied zu Gymnasien und Gemeinschaftsschulen. Sekundarschulen bereiten grundsätzlich auf eine anschließende Ausbildung vor.
In Sachsen-Anhalt gibt es aktuell 134 staatliche und 18 freie Sekundarschulen, 16 Gemeinschaftsschulen (6 freie), 66 Gymnasien (12) und fünf Gesamtschulen (6). Außerdem existieren noch 98 Förderschulen (7) und drei freie Waldorfschulen.
Insgesamt ergibt das etwa im fünften Jahrgang 29 Wochenstunden. Dazu kommt der „Pflichtbereich 2“. Über alle sechs Jahrgänge stehen der Schule dafür sechs bis neun Wochenstunden zur Verfügung, die frei auf die Jahrgänge verteilt werden können. Diese flexiblen Stunden können zur Vertiefung, für offene Lernformen oder auch als Klassenstunden genutzt werden.
Der neue Erlass plant eine Systemumstellung. Die Jahrgänge fünf und sechs sowie sieben und acht werden nur für die Organisation zusammen erfasst. Zum Beispiel in den „Kernfächern“ sind dann neun Stunden für Deutsch in den Jahrgängen fünf und sechs vorgeschrieben. Bisher waren für die Jahrgänge einzeln je fünf ausgewiesen, also zusammen zehn Wochenstunden.
Künftig soll die Schule die neun Stunden frei aufteilen können: Denkbar wären dann drei Wochenstunden in der fünften und sechs in der sechsten Klasse. Neun statt zehn heißt aber nicht, dass eine Deutsch-Stunde wegfällt: Sie kommt in einen neuen „Fächerübergreifenden Pflichtstundenpool“, der in den Klassen fünf und sechs zusammen zwei Stunden umfasst (die andere wurde bei Mathe abgezogen).
Indirekte Kürzung
Bei diesen „Poolstunden“ kann die Schule über die „inhaltliche und organisatorische Ausgestaltung“ entscheiden, wie es im Erlass heißt. Diese Stunden können auch für Vertiefung und offene Lernformen genutzt werden. Bisher war das im „Pflichtbereich 2“ vorgesehen, der nun wegfällt. Unterm Strich gibt das Ministerium 60 bis 62 Wochenstunden für die Jahrgänge fünf und sechs vor. Auf den ersten Blick kann man also nicht von einer Kürzung sprechen.
Aber der Teufel steckt im Detail, meint Diepenbrock vom Sekundarschullehrer-Verband. „Die Kürzung der Kernfächer ist eine indirekte Kürzung, weil man durch den Pool die fehlenden Stunden auffüllen kann, aber nicht muss“, so Diepenbrock. So könne man dann etwa in der fünften keine und in der sechsten Klasse zwei Poolstunden geben. Die unterschiedliche Stundenverteilung könne auch zu Problemen bei Schulwechseln oder Sitzenbleibern führen.
Das Ministerium weist die Kritik zurück. Es werde nicht gekürzt, sondern eine „differenzierte Förderung“ gestärkt und „höhere Flexibilität“ erreicht, so Ministeriumssprecher Martin Hanusch. Die Systematik mit Doppeljahrgängen und fächerübergreifendem Stundenpool gebe mehr Gestaltungsspielraum und entspreche dem „ausdrücklichen Wunsch der Schulen“. Im Vergleich zur Gemeinschaftsschule gebe es „lediglich einen kleinen Unterschied“, weil die Gemeinschaftsschule einen erweiterten Bildungsauftrag habe und Schüler auch zum Abitur führen soll. „Es gibt keine unterschiedliche Behandlung, Gemeinschaftsschulen werden nicht bevorzugt“, so Hanusch. (mz)