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Bergbau Bergbau: «Kali-Manie» an der Landesgrenze

Von Katrin Löwe 08.02.2008, 18:24

Roßleben/MZ. - Wenn Friedrich-Karl Herzau durch das Plattenbaugebiet im thüringischen Roßleben läuft, ist er unzufrieden. "Hier ist fast ein Drittel der Bevölkerung weggezogen", sagt er. Blöcke stehen leer, Fensterscheiben sind eingeworfen. "Alles Begleiterscheinungen der Stilllegung des Kalibergwerks", sagt der 72-jährige ehemalige Bergmann. Ende 1991 waren die Kumpel zum letzten Mal in den Schacht Roßleben eingefahren. Mehr als 16 Jahre später hoffen die Menschen in der Region um Unstrut und Finne auf dessen Wiederbelebung. "Das ist das letzte Filetstück des deutschen Kalibergbaus", sagt Herzau.

Mit der Stilllegung hatten sich die Bergleute nie abgefunden. Eine 2006 beendete Studie ergab, dass im Raum Roßleben-Steigra-Bad Bibra noch rund 200 Millionen Tonnen Hartsalz lagern, die für mehr als 50 Jahre Abbau reichen. 2007 schrieb die Gesellschaft zur Verwahrung und Verwertung von stillgelegten Bergwerksbetrieben (GVV) das bundeseigene Gelände zum Verkauf aus. Sieben Unternehmen aus dem In- und Ausland haben Interesse bekundet. Für eine Wiederinbetriebnahme seien Investitionen "in sehr hoher dreistelliger Millionenhöhe" nötig, sagt GVV-Sprecher Jörg Domnowski. Die GVV will bis zum nächsten Jahr entscheiden, von welchen Interessenten ein ausführliches Konzept angefordert und ob privatisiert wird.

Gespannt verfolgt das vor allem einer: Peter Wesenberg, letzter Betriebsratsvorsitzender des Roßlebener Bergwerkes mit seinen 2 400 Beschäftigten. Der einstige Kampf um den Bergbau ist kein Thema, über das er gern redet. Wesenberg ist einer, der alles hautnah erlebt hat: rasanten Personalabbau nach der Wende, Fahrten zur Volkskammer, um Sozialleistungen zu erkämpfen. Nach 40 Jahren, in denen "das Tafelsilber der Region als Devisenbringer ausgebeutet" wurde, habe es im Werk weder Geld für Sozialleistungen noch für Investitionen gegeben. Tausende Unterlagen und Mitschnitte seiner damaligen Reden erinnern Wesenberg heute an die Zeit. An den Hungerstreik von 400 Kumpeln in Roßleben, daran, dass letztlich Abfindungen aus öffentlichen Etats gezahlt wurden. Die endgültige Stilllegung aber konnte nicht aufgehalten werden.

Preisverfall, fehlende Investitionsmöglichkeiten, ein vor allem im Osten völlig zusammengebrochener Absatzmarkt. "Wir haben bis zum Schluss gekämpft, aber in der Situation keinen gefunden, der uns für nur eine Mark gekauft hätte", so Wesenberg.

Heute wünscht er nichts sehnlicher, als eine Wiederbelebung. "Nichts ist von Bestand, außer der Wandel", sagt er: Die Nachfrage nach Kali sei völlig anders als zu der Zeit, in der in Thüringen sechs Bergwerke mit rund 23 000 Beschäftigten geschlossen wurden. "Das Interesse an Lagerstätten hat auf dem Weltmarkt sehr stark zugenommen", bestätigt Ulrich Göbel, Sprecher von Branchenprimus Kali+Salz aus Kassel. Bis Ende März will die Firma eine Wirtschaftlichkeitsstudie für Roßleben fertig haben. Roßlebens Bürgermeister Rainer Heuchel (SPD) hofft auf insgesamt 1 000 Arbeitsplätze in Bergbau und Dienstleistung - vor allem für seine Stadt, in der rund 30 Prozent Arbeitslosigkeit herrschen. "Größter Arbeitgeber sind derzeit die Schulen, das sagt doch alles", so Heuchel.

Von "Kali-Manie" spricht der Bürgermeister. Einige von denen, die damals wegzogen, hätten schon eine Rückkehr angekündigt, wenn es mit dem Bergbau klappt. Mit einem Produktionsbeginn aber rechnet Heuchel in frühestens fünf Jahren. Ex-Betriebsrat Wesenberg mahnt derweil strenge Verträge an. Schon gibt es Befürchtungen, Investoren könnten mit dem Kauf nur die Konkurrenz am Abbau hindern oder das Lager lediglich zum Versatz von Abfall nutzen wollen.

Offen ist, wo das auf drei Landkreise ausgedehnte Vorkommen "angezapft" werden würde. In Roßleben könnten verfüllte Schächte wieder geöffnet werden. Jedoch liegen dort nur knapp 18 Millionen Tonnen Salz. Ertragreicher ist das Lager mit 125 und 58 Millionen Tonnen bei Bad Bibra / Reinsdorf (Burgenlandkreis) und Steigra (Saalekreis). Dort müssten neue Schächte getäuft werden.

Der Burgenlandkreis hat den Bergbau schon in seinen Regionalplanungs-Entwurf aufgenommen. Am Montag soll der Kreistag darüber abstimmen, dass die Bemühungen um dessen Wiederbelebung aktiv unterstützt werden. Vize-Landrat Gundram Mock rechnet nicht mit Widerstand. "Wir hoffen auf langfristige Arbeitsplätze", sagt er.