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Bannmeile gegen Böller Bannmeile gegen Böller: Zoos in Sachsen-Anhalt fordern Verbotszone für Feuerwerk

Von Max Hunger und Julius Lukas 04.01.2020, 09:47
Ein Kind hält eine brennende Wunderkerze vor einem gezündeten Silvesterfeuerwerk. 
Ein Kind hält eine brennende Wunderkerze vor einem gezündeten Silvesterfeuerwerk.  dpa

Halle (Saale) - Krach, grelles Licht,  verirrte Sprengkörper – der Start ins  neue Jahr  bedeutet für viele Zootiere Anspannung und starken Stress. „Vor allem  Vögel und Affen leiden unter dem jährlichen Feuerwerk“, sagt Alexander Beck, Zoochef in Aschersleben (Salzlandkreis).

Das Böllern und die unnatürlichen Lichtblitze am Himmel seien ein Bedrohungsszenario für die Tiere, das auch körperliche Folgen habe: „Gerade Affen sind am nächsten morgen oft sehr nervös und leiden unter Stressdurchfall“, sagt der Tierpflegermeister.

Stress und Feuergefahr

Der körperliche Stress ist für die Tiere aber nur eine Gefahr an Silvester: Angesichts des verheerenden Feuers im Krefelder Zoo (Nordrhein-Westfalen) in der Silvesternacht fordert Beck eine Verbotszone für Feuerwerk in zentral gelegenen Stadtzoos: „Ein 500 Meter breiter Streifen um die Anlagen wäre sicher sinnvoll.“

Wie der Ascherslebener Zoochef sprechen sich auch viele seiner Kollegen für eine solche Bannmeile aus.  „Darüber sollte zwingend diskutiert werden“, meint etwa Michael Engelmann, der in Köthen (Kreis Anhalt-Bitterfeld) den Zoo leitet.

Seine Tiere würden zum Teil intensiv auf die Silvesterknallerei reagieren. „Unser Damwild steht dann ganz eng beieinander, ist in permanenter Achtungshaltung und unter ständigem Stress“, sagt Engelmann. Für ihn sei eine Verbotszone jedoch nicht allein zu Silvester notwendig. 

„Unsere Anlage liegt in einem Waldgebiet, da wäre eine  allgemeine Feuerverbotszone auch im Sommer ein begrüßenswerter Schritt.“

30 Tiere sterben bei Brand

Beim Brand in Krefeld waren 30 Tiere, darunter mehrere Menschenaffen, ums Leben gekommen. Ausgelöst wurde das Feuer den Ermittlungen der Polizei zufolge durch sogenannte Himmelslaternen. Eine dieser fliegende Leuchtkörper war auf dem Dach des Affenhauses gelandet und hatte es in Brand gesteckt.

„Vor so etwas kann man sich  nicht schützen“, sagt Tom Bernheim, Sprecher des Bergzoos in Halle. Aufgrund ihrer Gefährlichkeit - nicht nur für Tierparks - seien die Himmelslaternen ja auch verboten. „Und da die mehrere Kilometer weit fliegen, hilft auch keine Verbotszone.“

Trotzdem spricht sich Bernheim nicht komplett gegen eine  Bannmeile aus. „Die könnte schon sinnvoll sein, um die Tiere zu schützen.“ Zwar gebe es Arten, wie die Raubkatzen, die sich von der Knallerei gar nicht stören  lassen.  Viele Tiere allerdings reagierten sehr empfindlich auf die Lautstärke und die ungewohnten Reize. 

Neben den Affen betreffe das zum Beispiel Flamingos.  „Schon ein leiser  Knall lässt die in Panik geraten“, erklärt Tom Bernheim. Die schreckhaften Vögel  sind auch deswegen über Nacht in  einem Haus untergebracht.

In Halle allerdings, sagt Bernheim,  gebe es  zu Silvester nur wenige Probleme. „Die Anwohner verhalten sich sehr rücksichtsvoll und achten darauf, nicht allzu viel Feuerwerk rund um den Zoo  zu zünden.“

Ähnliche Erfahrungen gibt es in Aschersleben, wo direkt neben dem Tierpark ein Pflegeheim liegt. „Die alten Menschen dort verzichten weitestgehend auf Böller und Raketen.“

Anwohner böllern neben Zoo

In der Umgebung des Magdeburger Zoos ist die Situation eine andere: Trotz eines Aufrufes über die Facebook-Seite, nicht in der unmittelbaren Umgebung des Zoos zu böllern, fänden die Mitarbeiter immer wieder Feuerwerksreste an den Grenzen des Zoos und Raketen in den Tiergehegen, sagt Zoochef Kai Perret. „Dafür habe ich kein Verständnis.“

Auch er spricht sich daher für eine Pufferzone um die Tierparks aus. Nur so könne man die Tiere vor der Belastung schützen und Brände wie den in Krefeld effektiv vorbeugen. „Auch handelsübliche Raketen können, wenn sie etwa auf einem der Kunststoffdächer der Zooanlagen landen, ein Feuer verursachen.“

Kai Perret hat der Brand  in Krefeld persönlich getroffen: „Mir ist der Atem gestockt, als ich davon erfahren habe.“ Denn: Der Zoologe hat selbst über Jahre im Krefelder Zoo gearbeitet, hat zu den Menschenaffen dort geforscht. Vielen der in den Flammen gestorbenen Affen ist er begegnet. „Ich habe viel Zeit in dem Affenhaus verbracht. Das Feuer ist mir sehr nahe gegangen“, sagt Perret.

Kommunen am Zug

Der Magdeburger Zoochef sieht nun die Kommunalpolitiker gefordert, die Einrichtung von Bannmeilen um Zoos zu diskutieren. Dazu müsste der Vorschlag in entsprechenden Ausschüssen von Fachleuten diskutiert werden. „Solche Schutzzonen sind ja eigentlich nichts Neues.“ So gebe es etwa in der Quedlinburger Altstadt schon länger ein Feuerwerksverbot - wegen der Brandgefahr der Fachwerkhäuser. Und Tiere seien mindestens ebenso schützenswert wie historische Gebäude, sagt Perret. (mz)

Für Flamingos ist der Start ins neue Jahr besonders stressig. 
Für Flamingos ist der Start ins neue Jahr besonders stressig. 
Kison
Affen leiden nach der Silvesternacht häufig unter Stressdurchfall. 
Affen leiden nach der Silvesternacht häufig unter Stressdurchfall. 
dpa
Damwild befindet sich bei Knallerei in ständiger Achtungshaltung.
Damwild befindet sich bei Knallerei in ständiger Achtungshaltung.
Frank Gehrmann
Ein Stofftieräffchen und Trauerkerzen stehen mehrere Tage nach dem Brand im Affenhaus vor dem Eingang des Krefelder Zoos.
Ein Stofftieräffchen und Trauerkerzen stehen mehrere Tage nach dem Brand im Affenhaus vor dem Eingang des Krefelder Zoos.
dpa