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Bahnhof Bad Kösen Bahnhof Bad Kösen: Verkauft, vergammelt, gerettet

Von Alexander Schierholz 08.06.2015, 18:20
Die Stadt hat einem Finanzinvestor das alte Bahnhofsgebäude in Bad Kösen abgekauft und will es nun wieder herrichten.
Die Stadt hat einem Finanzinvestor das alte Bahnhofsgebäude in Bad Kösen abgekauft und will es nun wieder herrichten. Andreas Stedtler Lizenz

Bad Kösen - Als hätte sich jemand einen Scherz erlaubt: Die Uhr über der Eingangstür ist auf zwei Minuten vor zwölf stehen geblieben. Fast wäre es zu spät gewesen für den Bahnhof von Bad Kösen (Burgenlandkreis). Von dem 1880 errichteten Gebäude, das einst Berliner Kurgäste empfing, ist nur die Halle übrig. Die Seitenflügel waren so baufällig, dass nur der Abriss blieb. Doch nun passiert etwas. Die Stadt Naumburg, zu der Bad Kösen gehört, will das Haus sanieren und erweitern. Eine neue Bushaltestelle, Taxistände, Park- und Abstellplätze für Fahrräder werden gebaut, der Vorplatz neu gepflastert.

Verkauft und vergammelt - der Bahnhof von Bad Kösen teilt sein Schicksal mit vielen anderen nicht mehr genutzten Empfangsgebäuden im Land. Die Deutsche Bahn hatte sie in den 1990er Jahren im Paket an Finanzinvestoren veräußert. Das Unternehmen konnte mit den Häusern nichts mehr anfangen, sie belasteten die Bilanz. Bloß weg damit, das war die Devise.

Den Schaden hatten die Kommunen. Denn die neuen Eigentümer taten - nichts. Sie ließen die Gebäude oft verrotten, sicherten sie nur notdürftig oder gar nicht. Ute Freund zeigt mehrere, einige Jahre alte Fotos aus dem linken Flügel des Bahnhofs. Was aussieht wie Watte an den Wänden, ist der gemeine Hausschwamm. „Die haben den einfach eingehaust“, empört sich Freund, im Rathaus verantwortlich für Stadtentwicklung und Bauen. Holz drumherum, Problem weggesperrt, fertig.

Die Folge der Verkaufspolitik: Während in vielen Orten moderne Wartehäuschen, Fahrkarten und barrierefreie Bahnsteige für einen leichten Zugang zum Zug errichtet wurden, verkamen die Empfangsgebäude nebenan zu Ruinen. Städten waren die Hände gebunden, an die neuen Eigentümer kamen sie nicht ran. So auch in Bad Kösen.

Bernward Küper bringt das immer noch auf die Palme. „Die Bahn hat alles abgestoßen, was sich nicht rechnet“, kritisiert der Oberbürgermeister, „dabei hat sie einen Auftrag zur Daseinsvorsorge“. Dazu gehöre, sich um die Bahnhofsgebäude zu kümmern, findet der CDU-Politiker, oder zumindest mit den Städten Lösungen zu suchen. Mittlerweile hat bei dem Konzern ein Umdenken eingesetzt. So versucht die Bahn nun, nicht mehr benötigte Empfangsgebäude direkt an Kommunen oder kommunale Gesellschaften zu verkaufen.

Aushängeschild für die Stadt

Zu spät für Bad Kösen. Die Stadt Naumburg entschied sich schließlich, den Bahnhof dem Finanzinvestor abzukaufen - als das Gebäude schon baufällig war. „Wir kümmern uns, weil der Bahnhof ein Aushängeschild ist“, sagt Küper. Oder besser: war. Und da eine Bauruine neben dem Kurpark nicht zumutbar ist in einem Ort, der auf Touristen setzt. Der Kauf erwies sich als hinreichend kompliziert.

„Wir haben erst einmal eine ganze Weile gebraucht, um herauszufinden, wer überhaupt zuständig ist“, schildert die städtische Bauchefin Freund. 2011, ein Jahr nach der Eingemeindung Bad Kösens, begann eine Mitarbeiterin im Naumburger Rathaus mit den Recherchen. Seit Ende 2012 gehört das Bahnhofsgebäude nun der Kommune. Man mag es kaum glauben: „Uns ist von allen Seiten bescheinigt worden, dass das sogar ziemlich schnell ging“, sagt Freund. 35 000 Euro hat die Stadt am Ende gezahlt an den vorherigen Eigentümer, der offenbar froh war, eine Ruine weniger im Bestand zu haben. „Die haben ja auch gemerkt, dass sie nicht weiterkommen“, sagt Freund.

Zweieinhalb Jahre ist das her, und die Antwort auf die Frage, warum in Bad Kösen jetzt immer noch eine Ruine steht, lautet: Wer einen Bahnhof kauft, hat es immer auch mit der Deutschen Bahn zu tun - selbst wenn der das Gebäude nicht mehr gehört. Dafür gehören ihr rundherum: Grundstücke, Gleise, Technik. Die Bahn also: Weltkonzern, zig Tochterunternehmen, zig Zuständigkeiten und Nicht-Zuständigkeiten. „Ich dachte ja immer“, sagt Ute Freund, „bei der Bahn ist alles klar geregelt, die haben da eine Schublade, da ziehen sie bloß die Akte Bad Kösen raus.“

Das Land Sachsen-Anhalt und die Deutsche Bahn AG bauen in diesem Jahr noch an weiteren Bahnhöfen in Sachsen-Anhalt. Die wichtigsten Projekte nach Angaben des Verkehrsministeriums:

Wittenberg: Baubeginn für den „grünen Bahnhof“ (klimaneutrales Empfangsgebäude, mit erneuerbarer Energie versorgt); Start der Umgestaltung des Busbahnhofs

Sangerhausen: Neubau von Bahnsteigen und Aufzügen, Sanierung des Bahnhofsgebäudes

Naumburg: Baustart für neue Aufzüge

Wolfen: Abschluss des ersten Bauabschnitts einer Park+Ride-Anlage

Landsberg (Saalekreis): Baubeginn für Park+Ride-Anlage

Weit gefehlt. Und so läuft zwischen Bahn und Stadt immer noch ein Verfahren, das so kompliziert ist wie es klingt: „Freistellung von Bahnbetriebszwecken“. Da kann es um Leitungen gehen in Grund und Boden, der nun der Kommune gehört, die aber der Verkehrskonzern noch braucht. Da kann es aber auch gehen um Gesimse am Bahnhofsgebäude (städtisches Eigentum), die das Bahnsteigdach (Eigentum der Bahn) tragen. Bei jedem Detail müssen sie sich einigen. Vorher gibt es keine Baugenehmigung. Die die Stadt übrigens - Kuriosum am Rande - sich selbst erteilt. Wenn mit der Bahn alles klar ist.

Dann soll die sanierte Halle wieder um Seitenflügel ergänzt werden, architektonisch angepasst. Die Tourist-Information soll einziehen, ein Fahrradverleih, ein Bistro und Toiletten sind geplant. 1,2 Millionen Euro lässt Naumburg sich das kosten, 80 Prozent der Summe schießt das Land zu. Park- und Radstellplätze sowie die Bushaltestelle und neues Pflaster kosten weitere 1,5 Millionen. Im Jahr 2017 soll alles fertig sein. Die Sanierung der Bahnsteige ist in diesem Paket aber nicht drin. Für sie ist weiter die Bahn zuständig, was die Sache nicht einfacher macht. Immerhin, sagt Bauchefin Ute Freund, habe das Unternehmen signalisiert, die Bahnsteigdächer zu erneuern. Auch der Bau eines Aufzuges sei im Gespräch.

Hoffen auf eine Einigung

Bisher ist nur das Gleis in Richtung Halle stufenlos erreichbar. In der Gegenrichtung muss man bis Weimar fahren, umsteigen und zurückfahren, wer Treppen nicht bewältigen kann. Das Problem: Den Einbau von Aufzügen an einer Station bezahlt die Bahn erst, wenn dort täglich mindestens 1 000 Reisende ein- und aussteigen. In Bad Kösen ist es ein Drittel. Die Stadt muss also mit weiteren Kosten rechnen. „Wir müssen sehen, ob wir uns mit der Bahn irgendwie einigen können“, sagt Freund. Sie ist Kummer gewöhnt. Erst kürzlich haben sie beim Bau der Parkplätze am Bahnhof einen alten Keller entdeckt. Ihn zu verfüllen, kostet 30 000 Euro. Extra. Irgendwas ist immer. Im Oktober soll dann aber endlich der Grundstein gelegt werden.