Autobahnkirchen Autobahnkirchen: In Sachsen-Anhalt gibt es vier «Ruhe-Tankstellen»

Magdeburg/dpa. - «In der Kirche himmlische Ruhe tanken, wenn auf der Autobahn die Hölle los ist» - mit diesem Motto wurde die Gemeindekirche Brumby in Sachsen-Anhalt erst vor drei Wochen zur Autobahnkirche. Und schon gibt es eine neue: Die an der A 38(Göttingen-Leipzig) gelegene Kirche St. Pancratius inRothenschirmbach öffnet ihre Pforten für müde Autofahrer am 11. Juni.Der neoromanische Kirchbau mit farbenprächtigen Glasfenstern ist dannallein in Sachsen-Anhalt die vierte Gotteshaus, bundesweit das 31.,das für Autoreisende von 8 Uhr bis 20 Uhr geöffnet ist.
Immer mehr solcher Tankstellen für die Seele gibt es inDeutschland und sie werden immer stärker besucht - nicht nur in derFerienzeit. Beim kirchennahen Versicherungsverein «Bruderhilfe» inKassel, der für die Betreuung der Autobahnkirchen zuständig ist,spricht man inzwischen von einem Boom. «Anfang der 90er Jahre gab esin Deutschland maximal acht Autobahnkirchen, bald sind es 31, Tendenzaufwärts», sagt Mitarbeiterin Birgit Krause.
Dass vor allem in den neuen Bundesländern so viele Gotteshäuserden Status Autobahnkirche erhalten wollen, liegt auf der Hand: Diemeist sehr kleinen Kirchengemeinden suchen händeringend nachBesuchern. Angesichts der drastischen Abwanderung und wegen desohnehin geringen Zulaufs klagen die Vertreter tausender, meisthistorisch wertvoller Dorfkirchen über Mitgliederschwund und Verfall.
Der Rothenschirmbacher Pfarrer Wolfgang Stengel träumt schon jetztvon gut besetzten Kirchenbänken: «Große Autobahnkirchen registrierenbis zu 30 000 Besucher im Jahr, warum soll sich unsere wunderschöneKirche nicht auch wieder füllen.» Profitieren könnte seine von einemPark umgebene Kirche von der unmittelbaren Nähe zur LutherstadtEisleben, die traditionell Ziel zahlreicher Touristen ist.
Anders ist die Entwicklung im Westen. Dort werden die meistenGotteshäuser am Rande der Standspur ausschließlich zum Zweck derinneren Einkehr für Reisende gebaut. Begonnen hatte der Trend imOktober 1958. Damals wurde die erste Autobahnkirche in Bayern an derAusfahrt Adelsried gebaut, an der A 8 Stuttgart-München. Nach einemVerkehrsunfall mit tödlichem Ausgang stiftete die betroffeneAugsburger Fabrikantenfamilie in Höhe der Unglücksstelle ein StückLand und den Rohbau der katholischen Kirche, damit dort künftig zumSchutz der Reisenden gebetet werden sollte.
An solche Kirchen hatte die Rockgruppe Kraftwerk einst sichernicht gedacht, als sie ihren Song «Wir fahr'n, fahr'n, fahr'n auf derAutobahn» komponierte. Und mittlerweile scheint dieses Lied auchwirklich veraltet. Der Trend nach der Devise «Auftanken nicht nur ander Zapfsäule» setzt sich immer mehr durch. Egal ob West oder Ost,katholisch, evangelisch oder ökumenisch: «In unserer hektischen Zeitwächst die Sehnsucht der Menschen nach Stille», haben Krause undviele Pastoren festgestellt, die in der eigens gegründeten Konferenzder Autobahnbahnpfarrer organisiert sind.
Sie treffen sich einmal im Jahr, beschließen neue Projekte,arbeiten an einer Hosentaschenbibel und aktualisieren verschiedenePublikationen, zum Beispiel den Autobahnwanderführer «stop and go»und eine Art Highway-Gesangbuch mit dem Titel «Gebete und Lieder fürunterwegs». Sie sind es auch, die für neue Autobahnkirchen zuständigsind und grünes Licht für die Gebetsmöglichkeit jenseits derLeitplanke geben, denn die Richtlinien für Autobahnkirchen sindstreng. Unter anderem muss eine solche Kirche eine direkte Anbindungan eine Autobahnausfahrt haben, vom Platzangebot her auch für denBesuch von Reisegruppen geeignet sein, über Parkplätze und sanitäreAnlagen verfügen und mindestens von 8.00 bis 20.00 Uhr geöffnet sein.