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Auswanderer Auswanderer: Polleben flaggt halbmast

Von RONALD DÄHNERT 26.07.2011, 21:38

POLLEBEN/MZ. - Als sich am vergangenen Freitag die schlimmen Nachrichten aus Oslo überschlugen, sei es gewesen, als "passierte es in meinem Heimatland", so Paschek. "Meine Frau und ich waren total schockiert, wir konnten es nicht fassen". Sofort habe er Kontakt zu Freunden und Arbeitskollegen aufgenommen, "aber zum Glück sind deren Familien von der Tragödie in Oslo nicht direkt betroffen. Aber die Trauer über die Opfer der Attentate hat sich offenbar über ganz Norwegen gelegt", sagt Paschek. Seit er vor vier Jahren eher zufällig als Elektriker in Südnorwegen ein Jobangebot bekam und nach kurzer Überlegung zusagte, hat er seine neue Heimat als ein sehr offenes Land kennengelernt. Wenn erzählt werde, dass die Norweger ihre Haustüren nicht abschließen, "dann stimmt das auch", so Paschek.

Nun ist auch der Wahlnorweger schockiert. Und auch wenn sein Haus 300 Kilometer entfernt liegt, so kennt er den Platz in Oslo, der durch die Bombe des Rechtsextremisten so stark zerstört wurde.

Paschek, seine Frau Katja (33), die sechsjährige Vanessa sowie die zweijährige Pauline sind auf dem Papier immer noch Deutsche, aber Gründe für eine Rückkehr ins Mansfelder Land sieht die Familie nicht. Längst würden alle, von der Zweijährigen mal abgesehen, perfekt norwegisch sprechen. Sie fühlen sich wohl im südlichen Norwegen, und mit der Zeit wird der dortige Freundeskreis auch immer größer. "Ich kann meinem Hobby Tauchen nachgehen und wir haben es geschafft, unser eigenes Haus in Froland zu bauen", so Paschek.

Bei Pascheks in Polleben gibt es schon immer eine Affinität zu Norwegen. Die Familie, bekannt durch ihre Elektrofirma, die einst auch ein Fachgeschäft in Eisleben hatte, kennt das Land der Fjorde nicht erst, seit Sohn Dominik dort wohnt. Doris Paschek, 62 Jahre alt, war mit 17 Jahren Mitglied im Europa-Club von Radio Luxemburg geworden. Über diesen Klub hat sie eine Menge Brieffreunde in Westeuropa gehabt. Ihre Großeltern nahmen Doris' Briefe mit in den Westen, damit sie auch wirklich ihre Adressaten erreichen.

Über all die Jahre ist nur eine Brieffreundschaft übrig geblieben. Die zu Claus Oehley, einem Hamburger, der vor Jahrzehnten von seiner Firma ausgerechnet nach Norwegen geschickt wurde. Dominik Paschek, der am Dienstag schon in den Rückreisevorbereitungen steckte, fährt mit einem gemischten Gefühl zurück. Er wisse zwar, was passiert ist, aber wie es sich in Norwegen anfühlen wird, das "kann ich noch nicht so richtig erahnen", räumt er ein. Seit er mit seiner Familie in Norwegen lebt, hängt eine norwegische Fahne vor dem elterlichen Haus in Polleben. Nach den schrecklichen Attentaten ist sie auf Halbmast geflaggt.