Atommüll bringt Geld Atommüll bringt Geld: Bis 2023 sollen 1,6 Millionen Euro in die Börde fließen

Morsleben - Kurz nach der Jahrtausendwende rappelte es im Endlager Morsleben. Untertage, in einer Kammer des früheren Kali- und Salzbergwerks, krachte die Decke herunter. Die Erschütterung erfasste selbst benachbarte Wohnhäuser. Gläser klirrten in der Küche, Teller klapperten im Schrank. Und Experten fingen an, erste Hohlräume im alten Bergwerk mit einem Beton- und Salz-Gemisch abzufüllen. Bis heute sind mehrere Bereiche des Bergwerks gesperrt - der Ruf als einsturzgefährdetes Endlager verflog seitdem nie mehr.
Morsleben in der Börde, hauteng an der Grenze zu Niedersachsen: Seit 1971 lagerte die DDR hier schwach- und mittelradioaktiven Abfall aus den Kernkraftwerken in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) und Rheinsberg (Brandenburg). Ab 1994 ließ die Bundesregierung auch atomaren Müll aus Westdeutschland ins Bergwerk fahren. 37.000 Kubikmeter lagern heute unter Tage - für die Anwohner ein nuklearer Schandfleck. Doch jetzt passiert etwas.
Die Bundesregierung gibt grünes Licht für Ausgleichszahlungen, wie sie bereits an westdeutschen Endlagerstandorten gezahlt werden. Bis 2023 sollen 1,6 Millionen Euro in die Börde fließen, ab sofort also jährlich 400.000 Euro. Für diesen Zweck braucht es eine Stiftung, Sachsen-Anhalts Landtag kann bis zum Spätsommer alles auf den Weg bringen, sagt Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) am Dienstag. Denn: „Das Endlager ist weiter eine Belastung für die Bevölkerung.“ Das Geld soll als fairer Ausgleich für neue Projekte in Tourismus, Naturschutz oder ähnliches fließen, verspricht die Ministerin.
Ist also endlich alles gut? Zwar betont Thomas Crackau (CDU), Bürgermeister von Ingersleben und damit zuständig für Morsleben, „dass wir dankbar sind und endlich erhört wurden“. Doch zugleich ist eine Unwucht zwischen Ost- und Westdeutschland nicht zu übersehen: Denn auf der anderen Seite der früheren DDR-Grenze gibt es zwei Endlager, für die weitaus höhere Ausgleichsgelder fließen. Und das seit Jahren.
So macht der Bund für das Endlager Asse bei Wolfenbüttel jährlich drei Millionen Euro locker, für den Schacht Konrad bei Salzgitter 700.000 Euro. Ungerecht? Natürlich, kritisieren Landespolitiker in Sachsen-Anhalt. Der Finanzexperte Olaf Meister (Grüne) befragte die Landregierung jüngst, wie sie das Volumen des Morsleben-Fonds bewerte. In seiner schriftlichen Antwort gab sich das Umweltministerium in Magdeburg selten undiplomatisch: Für die Landesregierung sei es „überraschend“, dass die geplanten Zahlungen für Asse und Morsleben „nicht unerheblich voneinander abweichen“. Vor den Kameras vermied Umweltministerin Dalbert am Dienstag aber jegliche Debatte über höhere Zahlungen. Tenor: Erstmal gut, dass Geld fließt.
In der Börde sind sie klarer. Bürgermeister Crackau sagt trotz aller Dankbarkeit: „Das ist keine Gleichbehandlung. Dafür müsste dieselbe Summe wie in Salzgitter fließen“, also 700.000 Euro. „Uns fehlt da zur Zeit die Begründung, wieso das nicht geht.“ Zumal ein großer Teil der in den Neunzigern eingelagerten Abfälle aus westdeutschen Kernkraftwerken kam. Unter den Abfällen ist kontaminiertet Schrott, auch Rohre, Armaturen und Textilien.
Crackau ist weder mit der Summe, noch mit der Laufzeit der Zahlungen einverstanden - er will jetzt mit dem Umweltministerium in Kontakt bleiben. Auch Börde-Landrat Martin Stichnoth (CDU) sagt, dass „die Höhe der Zuweisungen noch einmal verhandelt werden sollte“.
Und die Zukunft des Endlagers? Obwohl seit 1998 alle weiteren Einlagerungen gestoppt sind, muss die Stilllegung erst noch erfolgen. Das heißt: Eine komplette Versiegelung des Bergwerks samt der Abfälle, definitiv abgesichert und zugeschlossen „für eine Million Jahre“, so Dalbert. Der bisherige Zeitplan zielt auf 2026. „Das halte ich für sehr ambitioniert.“ (mz)