Ärzte in Sachsen-Anhalt Ärzte in Sachsen-Anhalt: Wie nötig sind private Zusatzleistungen?

Magdeburg - Leberflecken-Untersuchung zur Krebsfrüherkennung oder Anti-Schnarch-OP: Sachsen-Anhalts Ärzte bieten zunehmend sogenannte individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) an, die Patienten selbst zahlen müssen. Das ergab eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa bei Sachsen-Anhalts Krankenkassen. „Ständig kommen neue Angebote hinzu“, sagte der AOK-Sprecher für Sachsen-Anhalt, Andreas Arnsfeld. Da die Leistungen jedoch privat, also direkt vom Patienten an den Arzt gezahlt werden, könnten die Kassen das steigende Angebot nicht in Zahlen - sondern nur in der Tendenz nachweisen. Und die Tendenz ist stark steigend.
Zusätzliche Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft, Grüner-Star-Früherkennung und einige Reise-Impfungen: Sie gelten bei den gesetzlichen Krankenkassen als nicht unbedingt notwendig - und werden daher nicht übernommen. Die sogenannten Individuellen Gesundheitsleistungen, kurz IGeL, muss der Patient aus eigener Tasche bezahlen. Sie sind teils umstritten, können aber im Bedarfsfall notwendig sein.
Vorsorgeuntersuchungen: Von den Kassen genehmigt sind diverse Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und Jugendliche. Auch Hautkrebsscreenings für Frauen und Männer ab 35 Jahren werden übernommen. Zu den Leistungen, die Patienten selbst zahlen müssen, zählen Ultraschalluntersuchungen der Brust, Untersuchungen zur Früherkennung von Grünem Star (Glaukom) oder die Professionelle Zahnreinigung bei Erwachsenen, die nicht an Parodontitis leiden.
Schwangerschaft: Bei einer Schwangerschaft werden von den Kassen drei Ultraschalluntersuchungen bezahlt. Zusätzliche Untersuchungen werden von den Kassen als nicht sinnvoll eingeschätzt und müssen privat abgerechnet werden.
Impfungen: Je nach Krankenkasse unterscheiden sich die Impfungen, die vor Reisen in tropische Länder übernommen werden. Teils sind Impfungen etwa gegen Gelbfieber Bedingung für eine Einreise. Es gibt aber auch freiwillige Impfungen. Für die Tropen ist Schutz auch gegen Hepatitis A, Typhus und Malaria ratsam.
Umsatz der Ärzte um 50 Prozent gestiegen
Dem wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) zu Folge verdreifachte sich bundesweit die Zahl der angebotenen IGeL für AOK-Versicherte innerhalb der letzten 11 Jahre (2001: 9 Prozent, 2012: 29,9 Prozent). Innerhalb der vergangenen zwei Jahre sei dabei der Umsatz der Ärzte um 50 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr gestiegen. Laut Statistischem Bundesamt erwirtschaften Ärzte bis zu einem Viertel ihrer Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit.
Sachsen-Anhalts Kassen sehen die Zusatz-Leistungen kritisch. „Sie sind häufig weder medizinisch notwendig noch ist ihr diagnostischer und therapeutischer Nutzen wissenschaftlich nachgewiesen“, sagte Jens Hennicke, Leiter der Landesvertretung der Techniker Krankenkasse in Sachsen-Anhalt.
Zweifeln am Sinn mancher IGeL
Um Patienten in ihrer Entscheidung zu unterstützen, rief der Spitzenverband der Krankenkassen Deutschlands gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit die Webseite IGeL-Monitor.de ins Leben. „Wir wollen die Versicherten informieren und vor unnützen Leistungen schützen“, sagte die Leiterin des IGeL-Monitors, Monika Lelgemann. Auf der Webseite werden Leistungen aus wissenschaftlicher Sicht bewertet.
Selbst Ärzte zweifeln an dem Sinn mancher IGeL, teilte Ärztekammer-Sprecher in Sachsen-Anhalt, Tobias Brehme mit. „Wenn wir zwei Ärzte dazu fragen, werden drei Meinungen herauskommen“, sagte Brehme. Behandelnde Ärzte könnten individuell am besten einschätzen, welche Maßnahmen ihre Patienten benötigen. Doch IGeL seien richtig und wichtig. „Sind die Leistungen nicht im Katalog der gesetzlichen Krankenkassen enthalten, dürften sie von Ärzten auch nicht umsonst angeboten werden“, sagte Brehme. Dies würde den Wettbewerb zwischen den Praxen verzerren. (dpa)