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Apokalypse Apokalypse: Das Leben geht weiter

Von Alexander Schierholz 30.03.2012, 19:27

Dresden/MZ. - Wasser, nichts als Wasser. Ein Krokodil speit Wasser. Eine furchterregend aussehende Gottheit schüttet es aus einem Krug. Und auch aus zwei seltsam anmutenden Zeichen fließt Wasser. So also sieht es aus, wenn die Maya sich den Weltuntergang vorstellen. Oder, präziser: So stellen wir uns vor, wie sich die Maya den Weltuntergang vorstellen.

Das postkartengroße Blatt, das Krokodil, Gottheit und Sintflut zeigt, ist das letzte der Maya-Handschrift "Codex Dresdensis" - und es sagt angeblich voraus, dass am 21. Dezember dieses Jahres die Welt untergeht.

Stimmt nicht, sagt Katrin Nitzschke. "Das Datum ist dort gar nicht erwähnt", stellt die Leiterin des Buchmuseums der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden klar, zu dessen Sammlung die Handschrift gehört. Ergo: "Es gibt keine Prophezeiung der Maya", sagt Nikolai Grube, Maya-Forscher an der Uni Bonn. Jedenfalls nicht in Bezug auf 2012.

Kein Datum. Keine Vorhersage. Keine Apokalypse. An dieser Stelle könnte die Geschichte schon wieder zu Ende sein. Sie fängt aber erst an.

Denn der 21. Dezember ist nun mal in aller Munde. Im Internet kursieren Verschwörungstheorien über die vermeintliche Maya-Weissagung und den angeblich letzten Tag der Menschheit. Zeitungen, Magazine und TV-Sender widmen sich dem Thema. Die Zeitschrift Geo fragte auf dem Titel ihrer Februar-Ausgabe bang und aufgeregt zugleich: "Wann ist denn nun Weltuntergang?" Und weil das so ist, stürmen immer mehr Menschen die Dresdner Bibliothek.

Seit 200 Jahren zu besichtigen

Dort liegt der Maya-Codex seit mehr als 200 Jahren, und bis auf die eine oder andere kriegsbedingte Unterbrechung war er immer zu sehen. Außer ein paar Forschern, Mexiko-Reisenden oder Maya auf Europa-Trip hat sich aber lange kaum jemand dafür interessiert. Maya kämen seit Jahren, berichtet Nitzschke, "für sie ist der Besuch ein ergreifendes Erlebnis". Für viele von ihnen sei der Codex so etwas wie eine heilige Schrift. Manche beteten vor den in einer Glasvitrine ausgestellten 39 Tafeln, einmal habe ein Besucher sogar gesungen. Ein anderer sagte Nitzschke, er fühle sich seinen Vorfahren nahe.

Aber nun: Zum Jahresanfang, da war die Weltuntergangsdebatte schon in vollem Gange, hat das Buchmuseum seine Öffnungszeiten erweitert, auf täglich 10 bis 18 Uhr. So groß ist das Interesse. Sie haben eine Ausstellung organisiert, die über Geschichte, Bedeutung und den Weg der Handschrift nach Dresden informiert. Sie bieten regelmäßig Führungen an.

60 bis 80 Neugierige drängeln sich dann jeweils in einem engen Ausstellungsraum und der noch engeren, extra gesicherten Schatzkammer, die den Codex beherbergt. Katrin Nitzschke erzählt von einem Anruf der städtischen Volkshochschule: Ob sie einen Vortrag halten könne zum Thema? Mittlerweile sind vier daraus geworden.

Die Lust am Untergang, so scheint es, ist ungebrochen. Die Museumschefin mag sich darüber nicht lustig machen. "Wir nehmen das ernst." Krise, Kriege, Katastrophen - für sie ist der Besucheransturm auch Ausdruck der momentanen Verunsicherung vieler Menschen.

Schon vor drei Jahren, 2009, war der Andrang spürbar gewachsen. In den Kinos lief damals Roland Emmerichs Apokalypse-Epos "2012". Der Hollywood-Regisseur hat darin die angebliche Maya-Prophezeiung verarbeitet. In Dresden war Emmerich aber nicht. Nach einem Besuch im Buchmuseum hätte er wohl sein Drehbuch wegwerfen müssen.

Zweifellos: Der Dresdner Codex und die Ausstellung darüber vermitteln einen tiefen Einblick in die hoch entwickelte Kultur der Maya. Mit ihren Hieroglyphen, Zahlenzeichen - ein Strich steht im Zahlensystem der Maya für eine Fünf, ein Punkt für eine Eins - und Götterdarstellungen ist die Handschrift ein wahres Kunstwerk. Weltuntergangstechnisch aber ist sie, nun ja, unspektakulär.

Denn ihr letztes Blatt, in dem nun viele die Vorhersage der Apokalypse suchen, ist nur so etwas wie eine Warnung. Es berichtet von der Möglichkeit von Überschwemmungen an einem bestimmen regelmäßig wiederkehrenden Tag in einem der zahlreichen Kalender der Maya-Kultur. Fiel dieser Tag in die Regenzeit, dann drohte Gefahr. "Das ist so, wie wenn bei uns der Freitag auf einen 13. fällt", sagt Katrin Nitzschke. Mehr nicht.

Ende einer Maya-Epoche

Und der 21. 12. 2012? Der markiere lediglich das Ende einer 400 Jahre währenden Epoche in der Zeitrechnung der Maya, so Nitzschke. Es ist die 13. jener "Baktun-Perioden", seit die Maya im Jahre 3114 vor Christus zu zählen anfingen. Warum übrigens gerade da, weiß niemand. Und wenn die 13. Periode vorüber ist? Beginnt die 14. So banal ist das. Wie die Verbindung zwischen dem Datum und dem Codex zustande kam, und damit der Mythos vom Weltuntergang, das wird sich wohl nicht mehr klären lassen.

Dass sie in Dresden nun aufräumen mit diesem Mythos, die meisten Besucher sind darüber nicht enttäuscht: "Das ist doch sowieso absurd", sagt ein älterer Mann, "die Welt geht bestimmt mal unter. Aber warum denn gerade an diesem Tag?" Eine junge Frau ist gekommen, weil nun einmal alle über das Datum und die angebliche Apokalypse reden. "Und weil meine Tochter an diesem Tag Geburtstag hat."

Den wird sie sicher noch feiern können, die Tochter. Und was wird am 21. Dezember im Buchmuseum los sein? Eine Weltuntergangs(ausfall)party? Katrin Nitzschke ist spürbar zurückhaltend. Sie freut sich über den Ansturm, aber sie will die Maya-Handschrift nicht zum Teil eines Events werden lassen: "Mal sehen. Wir wissen es noch nicht."

Und was machen Sie, Frau Nitzschke, am 22. Dezember, wenn die Welt sich dann doch weiterdreht? "Weihnachtsplätzchen backen", antwortet sie trocken. "Was denn sonst?"