Anti-Babypille Anti-Babypille: Sachsen-Anhalts Teenager im Hormonrausch

Halle (Saale) - In keinem anderen Bundesland nehmen so viele Teenager die Anti-Babypille wie in Sachsen-Anhalt. Rund zwölf Prozent aller Zwölf- bis 15-Jährigen haben sich mindestens einmal im Jahr 2013 ein Rezept für das Verhütungsmittel ausstellen lassen.
Damit liegt Sachsen-Anhalt weit über dem Bundesdurchschnitt, der gerade einmal sieben Prozent beträgt. Auch bei den 16- bis 19-Jährigen führt das Land die Statistik mit 70 Prozent an - und liegt damit zehn Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt. Das ergab eine aktuelle Auswertung der Techniker Krankenkasse (TK).
Die Krankenkasse kritisiert zudem die Pharmakonzerne für die Art der Vermarktung des Verhütungsmittels: „Der Schönheitseffekt der Pille steht im Vordergrund. Nicht, dass es sich um ein Medikament handelt“, sagte Elke Proffen, Sprecherin der TK, der MZ. Die Konzerne würden die Pille häufig in Sozialen Netzwerken als Lifestyle-Produkt bewerben. „Schöne Haut und schöne Haare sind aber nicht die einzigen Nebenwirkungen“, so die Sprecherin.
Vielen jungen Frauen fehle das Wissen über Risiken und Nebenwirkungen der Pille, bestätigt die Gynäkologin Irina Pfeifer. Unter anderem kann die Einnahme des Verhütungsmittels das Thrombose-Risiko steigern. In diesem Zusammenhang steht derzeit auch erstmalig in Deutschland ein Pharmakonzern vor Gericht. Nachdem eine 31-Jährige über Jahre die Pille „Yasminelle“ einnahm, erkrankte sie 2009 an einer lebensgefährlichen Lungenembolie.
Sie wirft dem Bayer-Konzern jetzt vor, im Beipackzettel nicht ausreichend auf das Thrombose-Risiko hingewiesen zu haben. Ob die Arznei tatsächlich die Erkrankung ausgelöst hat, ist jedoch umstritten. Der Prozess wird derzeit am Landgericht im baden-württembergischen Waldshut-Tiengen verhandelt, ein Urteil ist noch nicht in Sicht.
Neben dem mutmaßlichen Schönheitsgedanken ist vermutlich der Mangel an Ärzten im Land ein Grund dafür, dass so viele in Sachen-Anhalt die Anti-BabyPille nehmen. „Den Ärzten fehlt wahrscheinlich einfach die Zeit, um über Alternativen aufzuklären“, sagt Gynäkologin Pfeifer. „Frauenärzte in den neuen Bundesländern behandeln weitaus mehr Patientinnen als Kollegen in den Alten.“ In Sachsen allerdings nehmen nur halb so viele Frauen die Pille wie hierzulande.
Das erklärt sich die Medizinerin aus Wolfen (Anhalt-Bitterfeld) damit, dass es im Nachbarland größere Städte mit einer höheren Ärzte-Dichte gibt. Da könnten intensivere Gespräche zwischen Patient und Arzt geführt werden - auch über negative Risiken und Nebenwirkungen. „Es ist aber nicht verwerflich, mit der Einnahme der Pille auch einen positiven Zusatzeffekt zu erzielen, der dem Menschen gut tut“, meint Pfeifer, die nach eigenen Angaben noch nicht erlebt hat, dass Frauen ausschließlich Akne mit der Anti-Babypille bekämpfen wollten.
Die positiven Nebenwirkungen auf Haut und Haare sind auf Gelbkörper-Hormone zurückzuführen. Neben Östrogen, das die Schwangerschaft verhindert, sind sie der zweite Bestandteil des Verhütungsmittels. Die Gelbkörper-Hormone sorgen nicht nur für eine reine Haut, sondern können Schmerzen während der Periode lindern und bei Jüngeren für einen regelmäßigen Zyklus sorgen. Bei anderen wirkt das Hormon gegen Wassereinlagerungen und verringert Völlegefühl während der Periode. (mz)
