1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Analphabetismus : Analphabetismus : Jeder Siebte liest schlecht

Analphabetismus  Analphabetismus : Jeder Siebte liest schlecht

Von Johannes Dörries 07.04.2013, 22:20
Etwa 200.000 Sachsen-Anhalter können schlecht lesen.
Etwa 200.000 Sachsen-Anhalter können schlecht lesen. dpa-Zentralbild

Halle/MZ - Jeder siebte erwachsene Sachsen-Anhalter kann nicht oder nur eingeschränkt lesen und schreiben. Im Land gehören nach Angaben des Magdeburger Kultusministeriums bis zu 200.000 Menschen zur Gruppe der so genannten „funktionalen Analphabeten“. Hilfe für diese Menschen soll in einer Kampagne organisiert werden, die in Kürze startet. Derzeit laufen die Genehmigungsverfahren beim Landesverwaltungsamt in Halle, so ein Ministeriumssprecher. Für das Projekt stehen in diesem und im kommenden Jahr 1,3 Millionen Euro zur Verfügung.

Die Zahlen zum Analphabetismus hatten 2011 bundesweit die Politik aufgeschreckt. Eine Studie der Uni Hamburg hatte gezeigt, dass 14 Prozent der Erwerbsfähigen zwischen 18 und 64 Jahren zusammenhängende Texte nicht verstehen oder schreiben können. Deutschlandweit trifft das auf mehr als sieben Millionen Männer und Frauen zu. Zuvor war von erheblich niedrigeren Zahlen ausgegangen worden.

Bund, Länder und weitere Partner schoben ein Programm zur Alphabetisierung an, das zunächst bis 2016 laufen soll. Für Sachsen-Anhalt hat Staatsminister Rainer Robra (CDU) jüngst eine Förderung sogar bis 2020 zugesagt. Dafür hat das Land bei der EU Zuschüsse von sieben Millionen Euro beantragt.

Eine Koordinierungsstelle beim Landesverband der Volkshochschulen bereitet die Kampagne vor. Am Anfang werde Werbung für Kurse stehen, sagt Koordinator Uwe Jahns. Sie sollen im ganzen Land stattfinden. Zudem sollen Mitarbeiter von Job-Centern und Verwaltung, in Betrieben und Arztpraxen geschult werden, Analphabeten besser zu erkennen und ihnen gezielt Hilfe anzubieten.

„Wir wollen vor allem eins: Vorurteile und Ängste abbauen“, betont Jahns. Noch immer trauen sich nach seinen Worten viel zu wenige der Betroffenen in einen Lehrgang. Im Jahr 2011 haben in Sachsen-Anhalt 1 800 Menschen einen der rund 200 Alphabetisierungskurse der Volkshochschulen besucht.

Die Studie der Uni Hamburg zeigt, dass etwa die Hälfte der Analphabeten einen Schulabschluss hat und einer regulären Arbeit nachgeht. Jahns geht davon aus, dass viele von ihnen - ähnlich wie bei Fremdsprachen - ihre Fähigkeiten im Lesen und Schreiben mit der Zeit verloren hätten, weil sie sie jahrelang nicht angewendet haben. Sie hätten im Laufe der Zeit häufig Strategien zur Alltagsbewältigung entwickelt, mit denen sie auch Situationen bestehen, in den Lesen und Schreiben gefragt sind. „Manche von ihnen meistern das Leben brillant“, sagt Natalie Breinert, Leiterin eines Alphabetisierungskurses in Halberstadt. „Doch sie sind tief unzufrieden.“