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in Chemnitz Zuhause Familie aus Vietnam droht nach 35 Jahren die Abschiebung: Geplante Petitionsübergabe zu Bleiberecht abgesagt

Pham Phi Son ist ein ehemaliger vietnamesischer Vertragsarbeiter, der seit 1987 in Sachsen lebt und hier eine Familie gründete. Jetzt sollen er und seine Liebsten abgeschoben werden - wegen eines verhängnisvollen Fehlers.

Von Linda May van Bui Aktualisiert: 30.08.2022, 13:00
Die vietnamesische Familie soll nach über 30 Jahren Aufenthalt in Sachsen das Land verlassen.
Die vietnamesische Familie soll nach über 30 Jahren Aufenthalt in Sachsen das Land verlassen. Foto: abschiebung-sachsen.de

Chemnitz/DUR/dpa - Der Chemnitzer Pham Phi Son, seine Frau und die Tochter Emilia (5) leben seit fünf Jahren in Angst vor Abschiebung. Seit der Geburt ihrer Tochter kämpft die Familie für ihr Leben in Deutschland. Die Zahl der Unterstützer wächst. Doch was ist passiert?

Warum müssen Pham Phi Son und seine Familie Deutschland verlassen?

Pham Phi Son, der in den 80er Jahren in die DDR kam, erlangte 2011 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in Deutschland. Er arbeitete in der Gastronomie und galt als gut integriert. Im Jahr 2016, ein Jahr vor der Geburt seiner Tochter Emilia, reiste Pham Phi Son nach Vietnam. Dort überschritt er unbeabsichtigt eine gesetzliche Frist.

Diese Frist besagt, dass die Aufenthaltserlaubnis nach sechs Monaten Aufenthalt im Ausland erlischt - egal wie lange sich die Person vorab in Deutschland aufhielt. Aufgrund einer medizinischen Behandlung verbrachte der ehemalige Vertragsarbeiter jedoch neun Monate in Vietnam. 

Auch Tochter Emilia müsse Deutschland verlassen.
Auch Tochter Emilia müsse Deutschland verlassen.
Foto: Privat/ Sächsischer Flüchtlingsrat

Chemnitzer soll nach 35 Jahren abgeschoben werden: Chaos beginnt ein Jahr nach Fehler

Erst ein Jahr später, 2017, fiel den Behörden die Überschreitung der Frist auf. Anlässlich der Geburt seiner kleinen Tochter Emilia wollte Pham Phi Son sowohl die Geburt selbst als auch die deutsche Staatsangehörigkeit beurkunden lassen. Dann der Schock: Die Ausländerbehörde Chemnitz strich Aufenthaltsberechtigung und Arbeitserlaubnis - die Familie musste ohne Einkommen zurecht kommen. Ein Verwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung.

Der Fall der Familie gelangte vor die sächsische Härtefallkommission. Diese kann über eine Aufenthaltsgenehmigung abstimmen, wenn es "aus humanitären oder persönlichen Gründen dennoch geboten erscheint". Die endgültige Entscheidung liegt dann immer noch beim Innenminister Sachsens. Doch das neunköpfige Gremium lehnte ab, dem Vernehmen nach wegen unzureichender Sprachkenntnisse des Vaters. Die Abschiebung drohte.

Die gesamte Familie musste untertauchen, verließ Sachsen und erlangte Hilfe durch die vietnamesische Community.

Anfang 2022 - Neuer Vorstoß, um in Deutschland bleiben zu können

Erst Anfang 2022 traute sich die Familie wieder an die Öffentlichkeit. Unterstützt wurden sie dabei vom sächsischen SPD-Landtagsabgeordneten Frank Richter. Der Fall wurde erneut der Härtefallkommission vorgelegt - inklusive Unterstützerschreiben und Arbeitsangeboten.

Ende Juli lehnte der Vorsitzende der sächsischen Härtefallkommission, der Ausländerbeauftragte und CDU-Politiker Geert Mackenroth in alleiniger Entscheidung eine nochmalige Befassung im Gremium ab. Seine Entscheidung stütze er durch eine "unveränderliche Sach- und Rechtslage", berichtet die Chemnitzer Ausländerbeauftragte Etelka Kobuß. Auch sie setzt sich für die Familie ein. Laut der Chemnitzer "Freie Presse" erkläre Mackenroth, dass er sich "nicht sicher" gewesen sei, dass es im Gremium diesmal eine Mehrheit gebe.

Auf medialer sowie politischer Ebene setzen sich zahlreiche Menschen für den Fall von Pham Phi Son ein.
Auf medialer sowie politischer Ebene setzen sich zahlreiche Menschen für den Fall von Pham Phi Son ein.
Foto: Privat/ Sächsischer Flüchtlingsrat

Mitgefühl und Empörung nach Abschiebe-Entscheidung gegen Pham Phi Son

SPD-Landtagsabgeordnete Frank Richter veröffentlichte den Fall auf seinem Portal abschiebung-sachsen.de. Es sei  "unerträglich", wie der Chef der Härtefallkommission "einsam über menschliche Schicksale" entscheiden würde. Der Fall sei ein weiteres Beispiel für die "familien- und kinderfeindliche sächsische Asyl- und Abschiebepolitik".

Auf medialer sowie politischer Ebene setzen sich zahlreiche Menschen für den Fall von Pham Phi Son ein. Die linke Landtagsabgeordnete Jule Nagel oder der Sächsische Flüchtlingsrat wollen die Abschiebung verhindern. Auch in den sozialen Netzwerken verbreitet sich der Fall. "Ob der Aufschrei noch etwas bringt, mag ich zu bezweifeln", erklärte Kobuß gegenüber nd.de.

Grüne in Sachsen fordern Bleiberecht für vietnamesiche Familie

Die sächsischen Grünen verlangen ein Bleiberecht für Pham Phi Son. "Es ist unmenschlich, einen Menschen aus dem Land auszuweisen, der seit mehr als drei Jahrzehnten in Deutschland lebt, arbeitet und eine Familie gegründet hat, nur weil er aus medizinischen Gründen eine Frist nicht einhalten konnte", erklärte Grünen-Landeschefin Christin Furtenbacher am Montag in Dresden. Es sei absolut unverständlich, weshalb Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth eine erneute Beratung über den Fall in der Härtefallkommission verweigere, betonte Furtenbacher. Der Flüchtlingsrat hatte daraufhin eine Petition zu ihrem Verbleib gestartet. Diese wurde bis Dienstagvormittag von 82.673 Menschen unterzeichnet.

Hier finden Sie die Online-Petition zum Verbleib von Pham Phi Son und seiner Familie.

Petitionsübergabe zu Bleiberecht für vietnamesische Familie abgesagt

Die Petitionen zum Bleiberecht des Vietnamesen Pham Phi Son und seiner Familie werden nun jedoch nicht wie geplant am Freitag, 02. September, im Landtag übergeben. Wie das Parlament am Dienstag mitteilte, hat der Sächsische Flüchtlingsrat den Termin abgesagt. Nach Angaben des Flüchtlingsrates wird derzeit durch die rechtliche Vertretung der Familie eine andere Option geprüft, um den Aufenthalt der Familie schnellstmöglich zu organisieren. 

"Wir sind absolut überwältigt von der großen Resonanz zur Petition und danken im Namen der Familie allen, die uns bislang unterstützt haben. Obwohl der Fall exemplarisch für viele Menschen steht, die sich hier über Jahre eine Existenz aufbauten, hatten wir noch kein vergleichbares mediales und politisches Echo", sagte Dave Schmidtke, Sprecher des Sächsischen Flüchtlingsrates, der Deutschen Presse-Agentur in Dresden. Dieser große Rückhalt aus der Zivilgesellschaft beweise, dass die betreffende Familie angekommen sei und das Bleiberecht hier verdient habe.