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13. bis 17. Dezember 13. bis 17. Dezember: Radikale Erneuerung, damit sich gar nichts ändern muss

Von Steffen Könau 11.12.2009, 18:26

HALLE/MZ. - Alshätte Wahlleiter Egon Krenz das Ende des Sozialismusauf deutschem Boden geahnt. Im Westen kanndavon nicht die Rede sein: Hier erscheintein Buch über die Zukunftsperspektiven desSozialismus, zu dem auch SPD-Chef Willy Brandtein Kapitel beigesteuert hat. Man wolle "demVersuch entgegentreten, den Sozialismus totzusagen"heißt es.

13.12.: Der stellvertretende SPD-VorsitzendeOskar Lafontaine tritt derweil dem andauerndenZuzug Ostdeutscher in den Westen entgegen."Ungeheuer attraktive" finanzielle Anreizezur Übersiedlung wie das Arbeitslosengeldmüssten für DDR-Bürger gestrichen werden.Ebenso sei nicht einzusehen, dass Rentneraus der DDR Rente beziehen dürften. Das seiungerecht, weil sie schließlich nie ins Rentensystemeingezahlt hätten.

14.12.: Die Regierung der DDR beschließtdie "Beendigung der Tätigkeit der Kampfgruppen".Schild und Schwert der Arbeiterklasse werdenbis Juni 1990 aufgelöst. Das Leipziger Institutfür Marktforschung findet heraus, dass DDR-Bürgersparsam sind: Bei Reisen in den Westen gibtnur jeder vierte Reisende mehr als die Hälfteseiner Devisen aus, ein Drittel dagegen nahezugar nichts. 85 Prozent der Bürger wollen mitdem einbehaltenen Geld künftige Reisen finanzieren.

15.12.: Dafür haben es die führendenGenossen kräftig krachen lassen. 20 MillionenMark betrugen allein die Unterhaltungskostenfür die 18 Staatsjagdgebiete, ermittelt derzeitweilige Ausschuss der Volkskammer zurÜberprüfung von Amtsmissbrauch und Korruption.Zwar liege der Zahlung ein ZK-Beschluss ausdem Jahre 1979 zugrunde, danach habe es aberimmer wieder Manipulation zugunsten der prominentenJäger gegeben. Die ließen sich gern privatmit Regierungsmaschinen fliegen, auch auflangen Strecken. Teilweise, ermittelt dieKommission, betrug der Kostenaufwand bis zu150000 Dollar. Pro Flug.

16.12: Für anderes war da kein Geldmehr da. Die Gewerkschaftszeitung "Tribüne"enthüllt die geheimen Pläne zum Bau eines"Trabant 603", die aus dem Jahr 1969 stammen.Damals habe das Politbüro aus Kostengründengegen den neuen Kleinwagen entschieden, derdem später im Westen gebauten "Golf" erstaunlichähnlich gesehen hätte. Die UdSSR kündigt inNew York an, bis zum Jahr 2000 alle in anderenLändern stationierten Truppen zurückziehenzu wollen. Es ist der finale Offenbarungseiddes Weltsozialismus: Die Zentralmacht, zusehr mit sich selbst und den eigenen Krisenbeschäftigt, gibt auf.

17.12.: Der Kampf aber geht weiter,etwa beim Sonderparteitag der SED-PDS in Berlin.Der formuliert "radikale Erneuerung" mit einerErklärung "Für die DDR - für demokratischenSozialismus". Viel ist darin von "revolutionärerErneuerung des Sozialismus in der DDR" dieRede, wenig von Realität. Voraussetzung fürdas Glück der Menschen sei "die staatlicheSouveränität der DDR", die "vor wirtschaftlichemAusverkauf" geschützt werden müsse, um "denSozialismus auf deutschem Boden zu erhalten".Als laufe dieser Ausverkauf nicht seit 1974,federführend organisiert von der SED. In Leipziggründet sich der "Demokratische Aufbruch",der die Einheit will. An der Spitze stehtder Stasi-Mann Wolfgang Schnur.