Zeitzer Erinnerungen Zeitzer Erinnerungen: Damals bei Lumpen-Zausch

Zeitz - Ein symbolträchtigeres Bild könnte es in der Zeitzer Unterstadt kaum geben. Im Zusammenspiel der Kneisel’schen Fabrikruine mit dem liebevoll restaurierten Wandbild am Wohnblock der Zeitzer Wohnungsgenossenschaft e. G. in der Schaedestraße als Reminiszenz an die bedeutende wie prägende Industriegeschichte vereinen sich Erinnerung und Gegenwart kontrastreich wie ein Spiegelbild der städtischen Entwicklung. Überhaupt sind Donalies-, Schaede- oder Weißenfelser Straße untrennbar mit der Industrialisierung von Zeitz verbunden.
Der an der Ecke Donalies- und Schaedestraße sich entlang ziehende Ruinenkomplex, viel weniger dominant als die große Industriebrache von Zetti schräg gegenüber, aber immerhin mit einem Schornstein ausgestattet, bildete ursprünglich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert die Werkstätten von Otto Franz Kneisels bereits 1872 in kleinen Anfängen gegründeter Fabrik. Nach Angaben von Konrad Braun (1866-1934) war die Firma „eine Abzweigung der Hölling & Spangenberg’schen Fabrik, aber von 1887 an selbstständig.“
Zentrum der holzverarbeitenden Industrie
Spezialisiert hatte sich das Unternehmen auf die Produktion von qualitätsvollen Holzwerkzeugen und damit den Ruf von Zeitz als bedeutendes Zentrum der holzverarbeitenden Industrie mit unterstrichen. Davon zeugen nicht zuletzt zahlreiche Gebrauchsmuster und Patente, die von der Firma Kneisel ausgingen.
Hergestellt wurden Hobel, Hobelbänke und diverse andere Holzbearbeitungswerkzeuge. Der Kaufmann Otto Kneisel stammte gebürtig aus Halle (Saale). Nach dessen frühem Tod am 24. August 1892 im Alter von 36 Jahren übernahm sein Schwager Paul Kühn, der bereits in Leipzig eine florierende Werkzeugfabrik unterhielt, die Firmenleitung. Zu einer Fusion beider Betriebe kam es aber nicht. Nach Paul Kühns Ableben 1898 wurde seine Witwe Helene Kühn geborene Kneisel langjährige Geschäftsführerin.
Im Februar 1901, so vermeldet es die Fachzeitschrift „Die Werkzeugmaschine“, konnte bereits die 20.000 Hobelbank in den Kneisel’schen Werkhallen fertiggestellt werden. Verdienstvolle Mitarbeiter erhielten traditionell, wie es auch bei der Firma E. A. Naether üblich war, anlässlich ihres 25-jährigen Arbeitsjubiläums in der Kneisel’schen Fabrik eine goldene Sprungdeckel-Taschenuhr überreicht. Kurt Döring, Helene Kühns Schwiegersohn, übernahm nach Angaben des Urenkels von Paul Kühn nach dem Ersten Weltkrieg den Betrieb.
Kurz nach 1933 eingegangen
Die Familie Döring-Kühn lebte in der Oberstadt, in der damaligen Arnoldstraße 18. Kurz nach 1933 muss der Kneisel’sche Betrieb eingegangen sein, denn im Einwohnerverzeichnis von 1935/36 ist nur noch von „Kneisels Fabrikgebäude“ die Rede und nicht mehr wie noch zwei Jahre zuvor von einer „Holzwerkzeug-Fabrik“. Paul Kühns Werkzeugfabrik in Leipzig bestand indes bis zu ihrer Liquidierung 1953. Am Zeitzer Standort in der Donaliesstraße 51 produziert um 1950 noch die Holz- und Metallwarenfabrik „Bucke & Mohr“.
Das inzwischen seit Jahrzehnten völlig verwilderte großflächige Gelände unweit des Bahnhofes ist vielen Zeitzern noch als Sammelstelle des VEB SERO bestens bekannt. Ältere Zeitzer erinnern sich nur zu gut an „Lumpen-Zausch“. Hermann Zauschs als „Großhandel“ bezeichnetes Geschäft handelte mit allen möglichen Altwaren, vorrangig mit Alteisen, Metallschrott und Rohprodukten. Zauschs gehörten auch die beiden gründerzeitlichen Wohnhäuser Donaliesstraße 52 und 53, die linkerhand aus Richtung Bahnüberführung kommend direkt an der Straße standen und im April 2008 nach jahrelangem Leerstand dem Abriss anheim fielen. In der Donaliesstraße 53 gab es übrigens auch Hermann Göckers Schreibmaschinen- und Bürobedarf-Handlung. (mz)